Gudrun Bohle: Die Frage der Läuterung im Alten Testament - Studia Theologica Budapestinensia 20. (1998)
I. Einleitung - Begriffliche Klärung von "Läuterung" - I.4. Auswahl der Schriftstellen
Ist Läuterung aber ein Geschehen an einem Subjekt, dann ist "Schlacke" nicht mehr der Sünder oder der Unreine, sondern die Sünde und die Unreinheit. Es vollzieht sich innerhalb eines "Subjektes", also eines Menschen oder Volkes, ein Prozeß, das diesen von allem befreit/reinigt, was an ihm unrein und schuldig ist, sodaß er von der Verfallenheit zum Gericht zum Heil hin geführt wird. Dabei wird weder das eine noch das andere aufgehoben. Unreinheit und Gericht werden ebenso ernst genommen wie das verheißene Heil. Die genannten Vorstellungen von Reinigung spielen im Alten Testament alle eine Rolle. Die folgende Arbeit aber versteht unter "Läuterung" ausschließlich eine Reinigung von Sünde, Schuld und Unreinheit, die das Volk bzw. den Menschen aus seiner Gerichtsverfallenheit löst und zum Heil bereitet. Diese Eingrenzung schien mir auch im Hinblick auf ein christliches Verständnis von "Läuterung" in der heutigen Zeit interessant. 1.4. Auswahl der Schrift st eilen. In erster Linie interessierten mich prophetische Texte. Dabei galten für die Fragestellung zwei Gesichtspunkte: In wieweit haben die Propheten selber einen solchen Prozeß erlebt - an sich und an ihrem Volk - und berichten darüber? Wie schaut ihre Verkündigung zu diesem Thema aus? Zur ersten Frage ist es sehr schwierig, in den vorliegenden Texten des Alten Testamentes eine Antwort zu finden. Lediglich der Visionsbericht des Jesaja, Jes 6., kann in diesem Sinn herangezogen werden. Er ist Gegenstand des ersten Kapitels. Die besagte Sichtweise des Themas der "Läuterung" brachte es mit sich, daß in erster Linie Texte aus der exilisch/nachexilischen Zeit in Betracht kamen. Jes. 6, unter der Annahme seiner Authentizität, ist hierfür ein wichtiger Vorläufer. Ansonsten gewinnt dieser Umgang mit der Schuld einerseits, und die Thematisierung der Reinheit und Unreinheit andererseits erst ab der Zeit des Exils an Bedeutung. 24