Gudrun Bohle: Die Frage der Läuterung im Alten Testament - Studia Theologica Budapestinensia 20. (1998)
I. Einleitung - Begriffliche Klärung von "Läuterung" - I.2. Beschreibung des Begriffsinhaltes von "Läuterung"
Da diese Spannung gerade auch für das Thema der Läuterung von grundlegender Bedeutung ist, empfiehlt es sich, eine Differenzierung einzuführen. Man kann uneingeschränkt sagen, daß im Bereich des Kultes eine solche Spannung zwischen rein und unrein bestimmend war. Dies gilt auch für den Glauben der anderen Religionen im Alten Orient. Es herrscht ein gewisser "Dualismus" vor. Eine solche Sicht treffen wir im Alten Testament insbesondere in den Traditionen, die Anleihen aus den kanaanitischen Kulten genommen haben, d.h. insbesondere im Tempelkult von Jerusalem. Ein solcher kultischer Dualismus geht davon aus, daß es zwei verschiedene Bereiche gibt, die sich feindlich gegenüberstehen. Dies wurzelt in einer magischen Wirklichkeitssicht, nach der jeder Gegenstand und jedes Lebewesen mit einer Macht behaftet sind29. So gibt es Gegenstände und Lebewesen, von denen eine unheilvolle Macht ausströmt, die als dem Leben feindlich gesinnt empfunden wird. Diese sind unrein und sollen gemieden werden. Dem steht die Sphäre des Heiligen gegenüber, von der ebenfalls eine Macht ausgeht30. Diesen Sphären sind auch Gottheiten oder Dämonen zugeordnet, die sich gegenseitig bedrohen. Von hier her ist es verständlich, daß alles, was unrein ist, eine Bedrohung für die Heiligkeit einer Gottheit darstellt, sodaß es im Kult sowie im gesamten Leben eine strikte Trennung geben muß. Diese strenge Trennung zwischen Rein und Unrein blieb in Israel auch nach der Einführung des monotheistischen Jahweglaubens. Es gibt nun keine Dämonen mehr, aber die Unreinheit selbst ist noch immer eine für alles Heilige gefährliche Kraft31. Dabei ist die Feststellung J.Milgroms32 interessant, daß in der Priesterschrift diese-------------B3r Gerhard v. Rad, Theologie des Alten Testaments 1., S. 271. (zitiert bei H.J.Hermisson, Sprache und Ritus im altisraelitischen Kult, S.85). 29 vgl. zu diesem gesamten Thema: Th.M.Krapf, Die Priesterschrift und die vorexilische Zeit, 1992, S. 15Iff. das Kapitel: “Die Eigenart kultischen Brauchtums im Pentateuch”. 30 vgl. H.P.Müller, Art. SHp, in: THAT II., Pkt. 4. zur "dynamistisch-magischen Religiosität". 3' J.Milgrom, Studies in Cultic Theology and Terminology, 1983, S.79: Impurity is “a dynamic force, magnetic and malefic to the sphere of the sacred, attacking it not just by direct contact but from a distance..” 32 ebd., S. 82: “The demons have been expunged from the world but man has taken their place. This is one of the major contributions of the priestly theology: man is demonized.” 17