Gudrun Bohle: Die Frage der Läuterung im Alten Testament - Studia Theologica Budapestinensia 20. (1998)
I. Einleitung - Begriffliche Klärung von "Läuterung" - I.1. Gibt es eine "Läuterung" im Alten Testament?
sehr selten sind2. Ab Hosea werden diese Begriffe häufiger, aber für die vorexilischen Propheten insgesamt gilt, daß "die Reinheit" nicht im Zentrum ihrer Theologie steht.3 Mit Jeremia, Ezechiel und der priesterlichen Theologie wird das Thema immer bedeutsamer, und die entsprechenden Begriffe werden immer häufiger verwendet. In der Periode des Zweiten Tempels, nach der Rückkehr aus dem Exil schließlich, wird die Unterscheidung zwischen rein und unrein zu einem ganz entscheidenden Faktor im religiösen Leben Israels.4 Was von den statischen Begriffen "rein" und "unrein" gilt, gilt noch viel mehr von dem Prozeß der "Reinigung". Die Unterscheidung von rein und unrein und die Erklärung eines Gegenstandes, Lebewesens oder Menschen als rein oder unrein ist ein Aspekt. Die Vorstellung, daß es einen Übergang von dem einen in den anderen Zustand gibt, ist eine andere. Dieser Vorgang war je nach der Richtung unterschiedlich: während eine "Verunreinigung" praktisch "automatisch" vor sich ging - nämlich im Sinne einer Ansteckung, die sich bei räumlicher Nähe oder Berührung vollzog, war eine "Reinigung" wesentlich schwieriger5. Auch diese Vorstellung der "Reinigung" gewinnt erst in exilischer Zeit an Bedeutung. Zum Wortfeld der "Reinigung" gehören einige verschiedene Wurzeln. Für das gestellte Thema der "Läuterung" sind dabei nur diese Wurzeln interessant, die auch von einer Reinigung des Menschen sprechen (auch wenn sie meist nicht ausschließlich dafür verwendet werden). Ein Blick in die Wörterbücher zeigt, daß diese Wurzeln praktisch durchwegs eine direkte und eine übertragene Bedeutung haben. Sie werden zunächst in einem weiten Sinn für eine Reinigung verschiedenster Objekte verwendet; die spezielle ausgedrückte Reinigungsart kann dann aber auch zu einem Bild für einen Reinigungsprozeß am Menschen werden, der etwas über das Sein des Menschen vor Gott aussagt. Insofern entsteht dann die Möglichkeit, von "Läuterung" zu sprechen. 2 Eine genaue Übersicht entnehme ich: H.Cazelles, Art. “Pureté et impureté”, in: DBS IX., 1979, Absatz II.: Ancien Testament, Sp. 491ff. 3 ebd., Sp. 495. 4 vgl. ebd., Sp. 501. 5 vgl. Hag. 2,12-14. 12