Christian Kuhn: Die theologische Begründung des Kirchenrechts - Studia Theologica Budapestinensia 2. (1991)

1. Einleitung

Wesen der Kirche aus betrachtet - als etwas letztlich nur Peripheres und Äußerliches sieht, wurden beide vom Lehramt ausdrücklich abge­lehnt. In der Enzyklika „Mystici Corporis" sagt Pius XII., „daß sich je­ne in einem schweren Irrtum befinden, die sich nach eigener Willkür eine verborgene, ganz unsichtbare Kirche vorstellen, ebenso wie jene, die sich die Kirche als eine Art menschlicher Organisation denken mit einer satzungsmäßigen Ordnung und mit äußeren Riten, aber ohne Mitteilung übernatürlichen Lebens" <13\ Das Recht in der Kirche gehört also wesentlich und genuin zu deren Selbstverständnis — deshalb wurde die Negation der rechtlichen Strukturen der Kirche als Häresie abgewiesen und verurteilt(14). Dennoch hat SOHM durch seine radikale Fragestellung und Infrage­stellung vieles in Bewegung gebracht und Fragen aufgeworfen, die die Kanonisten bis heute beschäftigen (15). Von all den Antworten auf die Frage nach dem Verhältnis von Liebe und Recht sei hier eine, weil als besonders trefflich erachtet, aufgezeigt. K. HARTELT (16> weist darauf hin, daß die kirchliche Rechtsordnung gerade im Dienste der Liebe zu stehen hat. Erlösung ist ein dialogisches Geschehen, in dem Gott in Je­sus Christus sich dem Menschen schenkt und dadurch die befreiende Antwort der Selbsthingabe des Menschen an den Vater in Jesus Chris­tus ermöglicht, und auf diese Weise den Menschen in die innertrinita- rische Liebe zwischen Vater, Sohn und Geist hineinnimmt. Weil die Antwort des Menschen jedoch nie so total ist wie die des Soh­nes an den Vater, sondern immer in gebrochener, sündhafter Weise er­folgt, ist das menschliche Antwortgeben immer gefährdet, da es ver­weigert oder verfehlt werden kann. Hier setzt HARTELT den Geburtsort der Rechtsordnung in der Kirche an. Diese Rechtsordnung hat den Sinn, „der erlösenden Rechtsordnung zu dienen, d.h. dem Antwortge­ben des erlösten, aber immer gebrochenen sündigen Menschen auf den Liebesanruf Gottes; sie muß darum in ihrem Wesen der Ordnung der Liebe entsprechen"*17^. Recht ist so gewissermaßen die Stütze, die Hilfe, die wir in unserer Welt notwendig zur Realisierung der ewig gültigen Ordnung der Liebe, wie Gott sie in der Kirche und durch die­se für die Welt schaffen will, brauchen. Folgerichtig ergeben sich von da her aber auch die Grenzen des Rechts in der Kirche, da Recht sich beschränken muß auf äußere, nachweisba­11

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