Folia Theologica 22. (2011)
Török Csaba: Inkulturation. Möglichkeiten und Grenzen eines Paradigmas II.
130 Csaba TOROK Aus dieser Definition der Inkulturation kann man die folgenden Voraussetzungen ableiten: 1. Es gibt christliche Verhaltensnormen und eine christliche Botschaft, die von den Kulturen unabhängig sind. 2. Diese haben die Kapazität, sich in allen Kulturen einzuwurzeln. 3. Die Kulturen haben die Kapazität, diese Aktion zu empfangen und die Kirche, den Glauben in sich wachsen zu lassen. 4. Die christlichen Verhaltensnormen und die christliche Botschaft können zu einem Bestandteil der Kultur werden. 5. Es gibt Raum in jeder Kultur für diese neuen Bestandteile. Jetzt wollen wir zu jedem Punkt einige kritische Anmerkungen machen. 1. Ad primum Der Ausgangspunkt des ganzen Paradigmas ist ein bestimmtes philosophisch-theologisches Weltbild, das davon ausgeht, dass es in unserer Welt eine grundlegende und fundamentale bzw. fundierende Einheit gibt. Am Anfang des dritten Kapitels unserer Arbeit haben wir diesen Themenbereich beschrieben und auf die Frage nach einem kulturellen Pluriversum bzw. Universum eine Antwort formuliert, als wir behauptet haben, dass es auf Grund unseres Glaubens zu bestätigen ist, dass es eine solche Einheit gibt. Die Frage ist nun, wie weit diese Einheit sich ausdehnt, wie markant und determinierend sie in den einzelnen Kulturen der Welt gegenwärtig ist. Diese Frage ist mehr als delikat, denn sie berührt den am meisten umstrittenen Punkt der ethischen und philosophischen Diskussion: Reicht es uns aus, dass wir die Einheit des Prinzips und des Ziels behaupten, oder wollen wir eine wirkende und gegenwärtige Einheit in den verschiedenen Kulturkomplexen behaupten? Wir wissen wohl, dass die modernen ethischen ebenso wie auch viele philosophische Systeme die Grundeinheit metaphysischer Natur ablehnen. An dieser Stelle wird aber die Inkulturationsfrage mehr als heikel, geht dieses Modell doch von der Grundaussage aus, dass es universale ethische Normen und eine allgemeingültige und von der kulturellen Bestimmtheit abstrahierbare christliche Botschaft gibt. Mit dieser Behauptung werden zwei Pilaster des Paradigmas aufgestellt: