Folia Theologica 19. (2008)
Hegyi Márton: Internus homo - eigentliches Selbst
INTERNUS HOMO - EIGENTLICHES SELBST 87 »Aus der eigenen Geschichte der Selbstwelt selbst erwachen Motivierungen zu neuen Tendenzen, und die Erfüllungen dieser laufen als solche immer zurück in die Selbstwelt und ihre jeweiligen erfüllungsbereiten Situationen, die faktische des faktischen Lebens sind.«32 Die Zugespitztheit des faktischen Lebens auf die Selbstwelt sei nunmehr »überall vorfindlich« und alle Lebensbegegnisse und ihre qualitativen Gestalten und Gehalte seien zur Selbstwelt zugekehrt.33 Mit der Feststellung des „Faktums" der Zugespitztheit des faktischen Lebens auf die Selbstwelt endet der die Konstellation der Lebenswelt behandelnde Passus der Vorlesung. In Hinsicht auf diese Gewaltsamkeit der Interpretation ist es nicht überraschend, dass Heidegger im von Oskar Becker nachgeschriebenen Schlussteil der Vorlesung Selbstkritik übt. Es heißt: »Wir suchten den Weg aus dem natürlichen Leben heraus zu dem Ursprungsgebiet. Wir übten eine gewisse Gewaltsamkeit in der Führung auf diesem Wege und kamen so auf die Zugespitztheit auf die Selbstwelt.« Dieses Tendieren »ist eine Einseitigkeit, die zurückgenommen werden muss«.34 Im Vergleich zu dieser Selbstkritik ist es aber festzustellen, dass in der weiteren Entfaltung der Heideggerschen Phänomenologie die zentrale Stellung der Selbstwelt nicht einmal nicht zurückgenommen, sondern gerade verstärkt wurde. Das zweite Motto der Vorlesung vom SS 1920, Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks / Theorie der philosophischen Begriffsbildung, entnimmt Heidegger aus dem berühmten Buch des Thomas von Kempen. Dieser bereits anfangs meines Artikels zitierte Satz zeigt den authentisch lebenden Menschen als »innerlichen Menschen« auf, der »keine wichtigere Sorge als die um sich selbst« hat. Es ist wichtig noch einmal hervorzuheben, dass der Ausdruck „Sorge" an dieser Textstelle zum ersten Mal in den Heideggerschen Texten vorkommt. Der von Thomas von Kempen zitierte Satz zeigt bereits die wichtigste Entwicklung dieser Vorlesung an, nämlich dass die Idee der Zugespitztheit des faktischen Lebens auf die Selbstwelt mit dem Gedanken der Eigentlichkeit verbunden wird. In der Vorlesung kommt diese Entwicklung mehrmals zum Vorschein. Bei der Analyse des Begriffs „Geschichte" sondert Heidegger sechs Bedeutungszusammenhänge ab. Diese betrachtend hebt er wiederkehrend 32 GA 58, 63. 33 A. a. O. 34 GA 58,228.