Folia Theologica 19. (2008)
Kocsis Imre: Petrus und sein Dienst in den schriften des Neuen Testaments
PETRUS UND SEIN DIENST IN DER SCHRIFTEN 109 Anhänger mit ihrer Nachgiebigkeit die Absicht verfolgten, die gefährdete Einheit zwischen der jüdisch-christlichen Gemeinde in Jerusalem, die wegen der Verfolgungen in eine immer schwierigere Lage geriet, und den Kirchen der Missionsgebiete zu retten, und so sollte ihr Verhalten Ausdruck der brüderlichen Liebe sein.22 Was auch immer hinter diesem Zwist stehen mag, wir müssen auf jeden Fall betonen: Der Vorwurf des Paulus bedeutet weder Feindsee- ligkeit, noch dass er das Ansehen des Petrus in Frage stellen würde. Die Strenge des Tadels rührt gerade daher, dass es sich nicht um irgendjemanden handelt, sondern um Kephas, um den „Felsen". Dass Paulus im Grunde genommen Petrus auch weiterhin mit Achtung gegenübersteht, geht deutlich aus seinen Briefen, genauer gesagt aus den oben erwähnten Briefstellen hervor, die mehrere Jahre nach dem Konflikt von Antiochien entstanden sind. e) Die Petrusbriefe In der Gruppe der katholischen Briefe findet man zwei Schriften, die den Namen Petrus tragen. Der zweite Brief wird von den Fachwissen- schaftlem einstimmig für ein pseudoepigraphisches Schreiben gehalten, d.h. für eine Schrift, die nach dem Tod Petri, aufbauend auf sein Ansehen, entstanden ist. Der größere Teil der Bibelforscher behauptet auch ähnliches vom ersten Petrusbrief, obwohl es zahlreiche Forscher gibt, die den Ursprung des Briefes vor dem Tod Petri datieren, aber mit der Einschränkung, dass die Formulierung von Silvanus stammt, der am Ende der Schrift erwähnt wird.23 Die Pseudonymität bedeutet auf keinen Fall, dass wir während des Studiums der Persönlichkeit Petri von diesen Schriften ohne weiteres absehen könnten. Im Gegenteil: Die Briefe zeugen gerade von der Anerkennung, die Petrus in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts im Kreise verschiedener christlicher Gemeinden genossen hat.24 Es ist 22 HENGEL, Petrus,97f. Eine ähnliche Ansicht vertritt: GNILKA, Petrus, 105. 23 Zur weiteren Erörterung der Frage vgl. die einschlägigen Einführungen zum Neuen Testament. 24 Ein Teil der Forscher meint, dass im Hintergrund der Briefe eine Schule - die sog. Petrusschule - steht, die die Absicht hatte, das geistige Erbe des Apostels zu bewahren und zu aktualisieren. Vgl. PESCH, Grundlagen, 54- 55; R. E. BROWN, An Introduction to the NewTestament, New York, 1997,768. Ein zurückhaltenderer Standpunkt wird von GNILKA (Petrus, 198-200) vertreten.