Folia Theologica 18. (2007)
Imre Koncsik: Synergetische Hermeneutik - Grundlagen und Perspektiven
90 I. KONCSIK Voraussetzung einer Differenzierung: etwa Differenzen zwischen Potentialen und Potentialgradienten17 sowie zwischen der Kapazität eines Einzelelementes und dem energetischen Input, wodurch eine „kräfteartige Neigung" resp. Propensität zur Reorganisation emergiert, indem das System eine Adaptationsleistung realisieren muss. Diese erfolgt durch kollektive Induktion einer passiven Wirkung kraft o.g. Wirkprinzipien, besonders der Eruptivität. Sie wiederum erfolgt im Kontext eines „just in time"-Szenarios18 als organisiertes maximales „fit" der Einzelkomponenten. Neurophysiologie: Edelmann und Singer Dass synergetische Hermeneutik als universales Wirklichkeitsmuster generalisiert werden kann, demonstriert das nächste Exempel aus der Neurophysiologie. Synergetische Prozesse treten bereits bei der Evolution der Architektur des Gehirns in der Ontogenese auf: zwecks individueller Etablierung der neuronalen Struktur wirken neben genetischen Parametern, welche auch hier die Genese neuronaler Variabilität nicht determinieren, sondern modulieren, sukzessiv ineinander greifende Konstitutionsprozesse auf verschiedenen Stufen: so ist etwa das „zeitliche Muster und die Expressionsebene der morphoregulatorischen Moleküle... dynamisch reguliert und epigenetischen Regulationsprozessen unterworfen".19 Derart bilden sich phänotypisch registrierbare Konstellationen von Neuronen etwa durch selektiven Zelltod, unterschiedliche Verschaltung und Kombination der Neuronen miteinander, ferner durch biochemische und anatomisch-physiologische Differenzierungen hinsichtlich der Verteilung der Neurotransmitter und Peptide im Gehirn, hinsichtlich der großen Zahl der Neuronen, die einen Nukleus formen sowie hinsichtlich der Mikroanatomie der Neuronen und neuronalen Schaltkreise. Auch nach Bildung des on- togenetisch konstituierten „primären Repertoires"20 wird das se17 Siehe SCHMID-SCHÖNBEIN (Anm. ), bes. 164-168 18 SCHMID-SCHÖNBEIN (Anm. ), 183 19 EDELMAN, G. u.a., Neuronaler Darwinismus: Eine selektionistische Betrachtungsweise des Gehirns, in: MEIER. H.; PLOOG, D. (Hgg.), Der Mensch und sein Gehirn. Die Folgen der Evolution, München 1997 (Neuauflage 21998), 187-234, 196 20 EDELMAN (Anm. ), 195