Folia Theologica 17. (2006)
Roland Tamás: Das Schicksal des Reiches
242 R. TAMAS Kirche widerscheint" (LG 1). Aber die Kirche als eucharistische Gemeinschaft ist der Ort, wo die Erlösung, die Versammlung der Kinder Gottes aus allen Völkern, sich vollzieht. Die Vision des Konzils von der Sammlung der Menschheit unterscheidet sich allerdings ganz und gar von einer Art Wiederbelebung des konstantinischen Traums. Das Zweite Vatikanum räumt hingegen ein, dass das neue Gottesvolk „oft als kleine Herde erscheint" (LG 9), der Christus „keineswegs einen vollständigen Sieg in dieser Weltzeit versprochen" (PO 22) hat. Es gilt für die Kirche vielmehr: Sie muss „unter Führung des Geistes Christi denselben Weg gehen, den Christus gegangen ist, nämlich den Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienens und des Selbstopfers bis zum Tode hin" (AG 5). Diese Aussage lässt aber ahnen, dass der genannte Opfercharakter der Eucharistie nicht nur etwas Akzidentielles ist, was bloß in der Feier der Kirche vorkommt, sondern ihr Wesen unerlässlich mitkonstituiert. Die relative Autonomie der Welt Die Absage an den konstantinischen Traum wird nun auch in der konziliaren Bestimmung der Autonomie der Welt sichtbar. GS stellt diesbezüglich fest: „Durch ihr Geschaffensein selber [...] haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen Eigenstand, ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Gutheit sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigenen Ordnungen" (GS 36). Die Forderung dieser Autonomie, sagt der gleiche Artikel, „entspricht auch dem Willen des Schöpfers" (GS 36).4 Nach diesem Hinweis auf den Schöpfer werden wenig später die Bemühungen der Menschheit im irdischen Bereich christologisch verankert. Christus „belebt, reinigt und stärkt [auch jene selbstlosen Bestrebungen], durch die die Menschheitsfamilie sich bemüht, ihr eigenes Leben humaner zu gestalten und die ganze Erde diesem Ziel dienstbar zu machen" (GS 38). Es ist nicht zu übersehen, dass hinter GS eine Konzeption steht, die sich auf die Einheit von Natur und Gnade stützt und so jene Trennung beider Wirklichkeitsbereiche überwindet, die in der Neuscho4 Im Hinblick auf „gewisse Geisteshaltungen, die einst auch unter Christen [...] vorkamen“ (GS 36), kann man die Bedeutung dieser Aussage nicht hoch genug einschätzen. Die Anmerkung zum Haupttext nimmt hier ausdrücklich Bezug auf den Fall Galilei (GS 36, Anmerkung 7).