Folia Theologica 17. (2006)
Roland Tamás: Das Schicksal des Reiches
DAS SCHICKSAL DES REICHES 243 lastik im Vordergrund stand. Gottes Gnade verbleibt nicht allein im Raum des Übernatürlichen und der Kirche, sondern wirkt in der Welt. Dieser Thematik gefolgt wollen wir noch ein Thema aus der Pa- storalkonstitution hervorheben, die in der theologischen Bewertung der medialen Wirklichkeit von großer Bedeutung. Im vierten Kapitel anerkennt das Dokument, „was an Gutem in der heutigen gesellschaftlichen Dynamik vorhanden ist, besonders die Entwicklung hin zur Einheit [...]. Förderung von Einheit hängt ja mit der letzten Sendung der Kirche zusammen, da sie »in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«5 ist" (GS 42). Wenn man sagen kann, dass das II. Vatikanum eine Aufwertung der Welt vollzogen hat, dann geht diese Aufwertung hier so weit, dass die Welt stückweise parallel zur Kirche betrachtet wird. Wird aber dadurch nicht die Welt mit ekklesialen Zügen versehen, die Kirche aber relativiert? Die heutige medial strukturierte Welt wirft diese Frage noch viel dringlicher auf und tendiert dahin, sie mit einem eindeutigen „Ja" zu beantworten. Man wird nicht leugnen können, dass der Pastoralkonstitution ein gewisser Kulturoptimismus eigen ist. Besonders die Einführung des Dokuments (GS 4-10) zeigt aber, dass GS auch der Ambivalenz der Welt bewusst ist: Die moderne Welt zeigt sich „zugleich stark und schwach, in der Lage, das Beste oder das Schlimmste zu tun; für sie ist der Weg offen zu Freiheit oder Knechtschaft, Fortschritt oder Rückschritt, Brüderlichkeit oder Hass" (GS 9). Im „christologi- schen Credo"6 möchte GS die Antwort auf diese Fragen in Christus finden, in dem „der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte gegeben ist" (GS 10). Er ist „als vollkommener Mensch [perfectus homo7] in die Geschichte der Welt 5 Zitat aus LG 1. 6 Das „christologische Credo“ der Pastoralkonstitution ist meisterhaft so konzipiert, dass es nach der Beschreibung der gegenwärtigen Weltsituation (GS 4-10) die Antwort auf die Fragen der Menschheit in Christus findet. Dieses Credo leitet das Dokument von der Ebene der Beschreibung zu der Deutung der Erfahrung aus dem Glauben über. 7 In der deutschen Übersetzung von Rahner/Vorgrimler steht hier „wirklicher Mensch“. Somit wird aber die eigentliche Absicht der Konzilsväter eher verhüllt, die an dieser Stelle über Christus nicht von der Zwei-Naturen- Proble