Folia Theologica 17. (2006)
Ciril Sorč: Gott und das Leid bei Hans Urs von Balthasar
GOTT UND DAS LIED BEI H. U. VON BALTHASAR 223 Jesu Kampf um die Einwilligung in den Heilswillen des Vaters, versteht Balthasar als den „Einlass der Sünde", womit Jesu „Reduktion auf den Gehorsam" seinen Höhepunkt erreiche.71 Balthasar warnt auch davor, den Verlassenheitsschrei Jesu und das Zitat von Ps 22 „Mein Gott, warum hast du mich verlassen" nur zum „vierten Wort" Jesu am Kreuz zu relativieren.72 Gerade mit der Preisgabe und Gottverlassenheit, dem Einlass der Sünde in Jesus „ist alles vollbracht". Die exklusive Stellvertretung Jesu Christi aber muss zur inklusiven werden. Die objektive Erlösung muss dem einzelnen Menschen allererst subjektiv vermittelt werden. Das bedeutet, dass der Mensch selbst am Erlösungsgeschehen beteiligt sein muss. Hier ist die kirchliche Vermittlung entscheidend (vgl. TD III, 327-337). Das Hinabsteigen in die Hölle Das Vollbringen der Sendung schließt in letzter Konsequenz Jesu „Gang zu den Toten" ein. Es sind die Karsamstagserfahrungen der Mystikerin Adrienne von Speyr73 und das Studium der Vätertheologie zum Thema, die Balthasar zu der Überzeugung führen, dass das Vollbringen der Sendung Jesu den „Gang zu den Toten" einschließt. Das Hinabsteigen Jesu in die Hölle (descensus) ist eine notwendige Folge des Kreuzes und eine notwendige Voraussetzung der Auferstehung. Der Vater, der Welt und menschliche Freiheit verantwortet und insofern auch die Hölle, müsse den gesandten Sohn folglich auch in diese Hölle einführen (MP, 248). Weil die Hölle - wie auch alles Böse „endlich" und deshalb wesenhaft begrenzt ist (vgl. TD IV, 257) - kann vom Sohn nochmals „unterfasst" werden. Tiefer als der Sohn ist niemand in den Zustand des Hölleseins eingedrungen. Deshalb folgert Balthasar mit Thomas von Aquin: „Die Verlassenheit zwischen Vater und gekreuzigtem Sohn ist tiefer, tödlicher als jede mögliche, zeitliche oder ewige Verlassenheit eines Geschöpfs von Gott. Denn wenn am Kreuz jede in der Welt begangene Sünde getragen und gesühnt wird, dann auch 71 Vgl. BALTHASAR, Theologie der drei Tage, 97-102. 72 Vgl. BALTHASAR, Theologie der drei Tage, 119-122. 73 TD IV: 223-293; vgl. E. GUERRIERO, II dramma di Dio. Letteratura e teológia in Hans Urs von Balthasar, Jaca Book, Milano 1999, 61-69.