Folia Theologica 17. (2006)
Ciril Sorč: Gott und das Leid bei Hans Urs von Balthasar
GOTT UND DAS LIED BEI H. U. VON BALTHASAR 219 eine grundsätzliche Kenőse ist mit der Schöpfung als solcher gegeben, weil Gott von Ewigkeit her die Verantwortung für den Erfolg der Schöpfung annimmt (trotz der Freiheit des Menschen) und „rechnet" in seiner Vorausschau der Sünde auch mit dem Kreuz. Und hier zitiert Balthasar den Gedanken Bulgakows: „Das Kreuz Christi ist schon mit der Erschaffung des Weltalls in es hineingeschrieben."6D Balthasar unterstreicht die trinitarische Dimension des Kreuzesleidens und vertritt so christologisch eine neuchalkedo- nische Position.60 61 Gott ist so, dass ihn dieses Kreuz nicht verbirgt oder unglaubwürdig macht, er ist so, dass das Kreuz ihn in den Augen des Glaubens erst eigentlich entdeckt, es ihn glaubwürdig und denkwürdig macht. Hans Urs von Balthasar hat diese christliche Grundüberzeugung theologisch ernst zu nehmen versucht, indem er am Kreuz Jesu Christi ablesen und von ihm her denken wollte, wie Gott Liebe ist. Das Kreuz zeigt, wie Gott Liebe ist; und weil Gott so Liebe ist, deshalb ist das Kreuz Heilsereignis. Aber was ist das am Kreuz offenbarte und zur Heils-Geltung gekommene „Wesen" der Liebe, die Gott wesentlich „ist"? H. U. von Balthasar nennt es: Selbsthingabe, ja „Selbst-weggabe"62; und er unterstreicht immer wieder, wie wörtlich und eigentlich er genommen haben will, dass Gott die Liebe ist im Sinne der „Selbst-weggabe", dass er „immer schon", „in sich selbst" und deshalb auch „für uns" so die Liebe ist.63 Also bleibt die Tragödie der ökonomischen Dreifaltigkeit für Ewigkeit in die immanente Dreifaltigkeit hineingeschrieben (das Kreuz ist nun die Offenbarung des tiefsten Gott-Seins). Der Tod Jesu ist ein Zeichen 60 S. N. Bulgakow, Balthasar zitiert diesen Gedanken in der Theologie der drei Tage, 41. Bezüglich Bulgakows Verständnis der Kenőse, die in seiner Theologie eine bedeutende Stelle einnimmt, vgl. Sein Werk L'agnello di Dio. II mistero dei Verbo incarnato'. 275-311. Vgl. CODA, L 'altro di Dio: Rivelazio- ne e kenosi in Sergej Bulgakov, L. ZAK, La croce, fonte della teológia in S.N. Bulgakov, in: G. CICCHESE-P. CODA-L^ ZÁK (ed.), Dio e il suo avvento, Cittá Nuova, Roma 2003, 283-313; KRECIC, Ontologija ljubezni pri S. N. Bulgakovu, 234-279. 61 Vgl. J.WERBICK, Gottes Dreieinigkeit denken?, 226. 62 Werbick schlägt statt „Selbstweggabe“ den Ausdruck „Selbst-Mit-Teilung“ vor. Vgl. Gottes Dreieinigkeit denken? Hans Urs von Balthasars Rede von der göttlichen Selbstentäußerung als Mitte des Glaubens und Zentrum der Theologie, in: ThQ 176 (1996) str. 231. 63 J. WERBICK, Gottes Dreieinigkeit denken?, 133-137.