Folia Theologica 17. (2006)
Ciril Sorč: Gott und das Leid bei Hans Urs von Balthasar
GOTT UND DAS LIED BEI H. U. VON BALTHASAR 215 terfangen" von der Entfremdung Gottes - von Gott - und mit der ewigen Überwindung dieser Entfremdung in Gottes Geist von Ewigkeit her überwindbar.46 „In Gott ist der Ansatzpunkt für das, was Leiden werden kann, wenn die Vorsichtslosigkeit, mit der der Vater sich (und alles Seinige) weggibt ... auf eine Freiheit stößt, die diese Vorsichtslosigkeit nicht beantwortet, sondern in die Vorsicht des Bei-sich-selber-beginnen-Wollens verwandelt" (TD III 305; vgl. Tück, 473). Das Modell der analogia exinanitionis, die von Balthasar entwickelt wurde, vermag in Gott eine gewisse Mitbetroffenheit am Leiden der Welt auszusagen, ohne Gott tragisch oder prozesstheologisch in die Geschicke der Welt verstricken zu müssen. Das Mitleiden Gottes kann als passio caritatis näher bestimmt werden, wenn man voraussetzt, dass die caritas Dei nur als ewiges Hingabegeschehen richtig gedeutet ist. Analogia exinanitionis lehnt sich an das „Nicht-an-sich-Halten" der göttlichen Personen im innertrinitari- schen Leben (similitudo) an, das sich auf der schöpferischen Ebene in einer noch größeren Andersartigkeit „wiederholt" (maior dissimilitudo).47 Balthasars prächtiger Aufbau des Theodramas rettet Gottes Allmacht, die die Allmacht der Liebe ist. Warum ist es Balthasar überhaupt wichtig, von einem Leiden in Gott zu sprechen, und sei es nur unter dem Vorbehalt der Analogie? Handelt es sich dabei nicht doch um einen Versuch, das Leiden zu universalisieren und dadurch die Härte der realen Leidensgeschichte theodramatisch zu überspielen? Zunächst ist daran zu erinnern, dass Balthasar in seiner Passiologie ganz vom theodramatischen Selbsteinsatz Gottes am Kreuz Jesu Christi her denkt. Gerade der gekreuzigte Christus ist „universale concretum", „konkrete analogia entis" und endlich die „konkrete analogia Trinitatis"!48 Der Menschgewordene Sohn, stimmt Balthasar der Adryenne von Speyr zu, ist „trinitarische Offenbarung. Er 'schafft auf Erden eine Extrapolation der Trinität: er lebt vollkommen trinitarisch, obwohl 46 Vgl. J. WERBICK, Gottes Dreieinigkeit denken?, 239. 47 Vgl. KRENSKI, Passio caritatis, 362-370. 48 Balthasar stellt die christologische Analogia Entis vor, weil Jesus Christus in seiner Person derjenige ist, der die Bindung zwischen Gott und der Schöpfung »aufrecht erhält«. Vgl. TD II/2, 202-210. Vgl. MARCHESI, La cristolo- gia trinitaria di Hans Urs von Balthasar, 243-251.