Folia Theologica 17. (2006)
Ciril Sorč: Gott und das Leid bei Hans Urs von Balthasar
GOTT UND DAS LIED BEI H. U. VON BALTHASAR 203 kenntnisse Richards von St. Viktor aufgenommen und verarbeitet13: Gott und Liebe - das geht nur so zusammen, dass Gott nicht erst in seiner Beziehung zur Welt, sondern in sich und von Ewigkeit her Liebe und so Selbstentäußerung und Beziehung ist.14 Balthasar wendet sich von der griechischen "Theo-Ontologie" des absoluten Seins ab, obwohl er die griechische Denkweise sehr schätzt, und wendet sich einer johanneischen Bestimmung Gottes als der Liebe schlechthin zu (vgl. TD IV, 191). Weil die Liebe im Grunde des Seins Gottes ist, entscheidet sich Balthasar für die Lie- bes-Ontologie, die sich in der trinitarischen Ontologie äußert.15 So Balthasars Ontologie in die These mündet: 'Sein und Liebe sind ko- extensiv'".16 Aber diese Göttliche Liebe ist keine „romantische Liebe", sondern eine „kenotische Liebe". Echte Liebe heißt Hingabe, ein Sich-Verlieren im anderen; dies ist in Gott total, da in Gott alles in der größten Vollkommenheit und Totalität ist. Balthasar nennt mit den orthodoxen Theologen diese Liebe und Hingabe der Göttlichen Personen zueinander eine totale Kenosis, ein Sich-Verlieren des Vaters im Sohn, des Sohnes im Vater, des Heiligen Geistes in beiden und endlicher Freiheit allem vorweg ermöglicht wird, ist nach Balthasar die innertrinitarische Freiheits- und Liebesstruktur selbst. Dabei wird auch die Denkform berücksichtigt, die - in geradezu programmatischer Abgrenzung von Hegel - Systemlosigkeit zum System, die Unfasslichkeit zur Methode erhebt. 13 Vgl. H.U.v. BALTHASAR, Einleitung, in: Richard von Sankt-Victor, Die Dreieinigkeit, Johannes, Einsiedeln 1980, 9-22. Die Übersetzung ist von Balthasar. 14 »Ewiges Leben ist, wie das Wort es schon sagt, kein Stillstand, sondern immerwährende Lebendigkeit, was ein Je-Neu-Sein einschließt. 'Wir dürfen uns die Unveränderlichkeit Gottes nicht als etwas Starres vorstellen: sie ist die Bewegung aller Bewegungen, ein Strömen der Ewigkeit in die Unendlichkeit hinein'« (H. U. v. BALTHASAR, Theodramatik IV: Das Endspiel [TD IV], Johannes, Einsiedeln 1983, 467). Vgl. W. LÖSER, Kleine Hinführung zu Hans Urs von Balthasar, Herder, Freiburg i. B. 2005, 105. 15 Interessant wäre ein Vergleich mit dem Werk von Klaus HEMMERLE, Thesen zu einer trinitarischen Ontologie, Johannes, Einsiedeln 1976. Vgl. A. FRICK, Le Tesi di ontológia trinitaria di K. Heinmerle. Un nuovo inizio, in: P. CODA - A. TAPKEN (ed.), La Trinità e il pensare, Città Nuova, Roma 1997, 283-300. 16 Th. R. KRENSKI, Passio Caritatis: Trinitarische Passiologie im Werk Hans Urs von Balthasar, Johannes, Einsiedeln 1990, 182-183.