Folia Theologica 16. (2005)

Bronisław Wenanty Zubert: Die Bedeutung der Klausel "Si puella apparet cognita" in der Kanonistik des ausgehenden Mittelalters

DIE BEDEUTUNG DER KLAUSEL 237 Mittelpunkt stehenden Frage bietet die Dekretale Si infantes invicem des Papstes Bonifatius Vili. (1294-1303)21, die im Gegensatz zu den früheren päpstlichen Entscheidungen kein Antwortschreiben auf eine konkrete Frage, sondern eine Sammlung von autoritativ aufge­stellten Normen ist, die sich auf das Altershindernis - und dann notwendigerweise auf die „Umwandlung der Verlobung in die Ehe" - bezieht. Nach seiner Meinung wird eine zwischen zwei Un­mündigen bzw. zwischen einer unmündigen und einer mündigen Partei geschlossene Verlobung keineswegs automatisch zu einer Ehe, sobald eine der Parteien die rechtlich bestimmte Altersgrenze erreicht. Von den Nupturienten wird erwartet, dass sie durch den Beischlaf oder sonstige äquivalente Zeichen ihren Willen, die Ehe einzugehen (perseverantia voluntatis), manifestieren22. Die Präsum­tion des Ehekonsens, die sich durch den Vollzug des Beischlafs ma­nifestiert, war in der lateinischen Kirche allgemeiner usus bis zur Einführung einer kanonischen Form der Eheschließung durch das Trienter Konzil. Ich bin überzeugt, dass die obige Präsentation der erwähnten päpstlichen Dekretalen die rechtlichen Grundlagen der in Frage kommenden Klausel sowie deren faktischen Anwendungsbereich zureichend absteckt. II. Die Meinungen der Kanonisten im Spätmittelalter Das 13. Jahrhundert bezeichnet man als die Periode, in der die mittelalterliche Kanonistik ihren Höhepunkt erreicht hatte (periodus classica vel actas aurea). Allerdings hatte auch die Kanonistik des ausgehenden Mittelalters - in den Forschungen der Historiker des kanonischen Rechts oft außer Acht gelassen - ihre hervorragenden 21 .In Vt° 4. 2. c. un. 22 In VI“ 4, 2. c. un: „Sponsalia [...J illa, quae iuris interpretatione tantum fue­runt sponsalia de futuro, lieet verba consensum exprimentia de praesenti ha­berent [...] per adventum pubertatis in matrimonium non transeunt de prae­senti. Nec matrimonium, quod ut matrimonium aetate non tenuit prohibente, per lapsum dicti temporis convalescit, nisi per carnis copulam subsecutam, vel aliquem modum alium contrahentes eosdem cum euismodem perseveran­tia voluntatis ad pubertatis tempora pervenisse constiterint evidenter Vgl. Zubert, Przeszkoda wieku (s. Anm. 14), S. 135-136.

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