Folia Theologica 16. (2005)

Otto Schwankl: Monotheismus im Neuen Testament

MONOTHEISMUS IM NEUEN TESTAMENT 173 tet, „den Menschen Jesus zu vergöttlichen ..., sondern die Anwesen­heit Gottes im Menschen Jesus zu bezeugen". Das Thomasbekenntnis ist dementsprechend auch als persönli­ches Zeugnis und nicht als „neutrale Rede" von der Gottheit Jesu formuliert. Es erfüllt also das von Bultmann erhobene Postulat, geht aber darüber hinaus. Thomas redet von Gott so, daß er von sich selbst redet, und zudem so, daß er von Jesus redet. Aber letzt­lich redet er weder „von" Gott noch „von" Jesus, sondern er redet ihn an. Er ruft den an, den er sieht; und das ist nicht nur Jesus, son­dern Gott wie es Jesus dem Philippus gesagt hat: „Wer mich sieht, sieht den Vater" (14,9). Jesus ist nicht nur „die Tür" (10,7.9), die den Zugang öffnet, sondern, mit optischer Logik, auch „das Fenster", das den Blick auf Gott freigibt. f) „Ditheismus"? In der johanneischen Christologie wird nicht primär Jesus ver­göttlicht, sondern Gott erscheint auf Erden in Jesus. Im Rückschluß ergibt sich aber daraus, daß der Mensch Jesus Gott ist (20,28). Eine solche Christologie, die von der Theologie getragen und gefordert ist, leuchtet aber nicht allen ein. Sie ruft jedenfalls auf jüdischer Seite Widerspruch hervor. Das Johannesevangelium spiegelt eine schmerzliche Trennung, die sich mittlerweile zwischen dem Juden­tum und dem johanneischen Kreis vollzogen hat, und zwar gegen den Willen der „Johannes-Christen" (vgl. nur 9,22; 12,42; 16,2). Es do­kumentiert zugleich, daß der Bruch (s)einen (Haupt-?)Grund hat im Streit um das monotheistische Grundbekenntnis der bi­blisch-jüdischen Tradition59. Die jüdische Seite gewinnt den Ein­59 Vgl. U. WILCKENS, Das Evangelium nach Johannes (NTD 4), Göttingen 1998, bes. 12-14.169-172.332-348 u.ö.; DERS. Monotheismus und Christolo­gie, in: DERS., Der Sohn Gottes und seine Gemeinde. Studien zur Theologie der Johanneischen Schriften (FRLANT 200), Göttingen 2003, 126-135: T. KRIENER, „Glauben an Jesus" - ein Verstoß gegen das zweite Gebot? Die johanneische Christologie und der jüdische Vorwurf des Götzendienstes (Neukirchener theol. Dissertationen u. Habilitationen 29), Neukirchen 2001; J.F. MCGRATH, John's Apologetic Christology. Legitimation and develop­ment in Johannine Christology (MSSNTS 111), Cambridge 2001, bes. 48-68; L. HARTMAN, Johannine Jesus-Belief and Monotheism, in: DERS. / B. OLSSON (eds.). Aspects on the Johannine Literature (CB.NT 18), Uppsala 1987, 85-99; O. SCHWANKL, Gemeinde (s. Anm. 49) 260-275; H.-J. KLAUCK. “Pantheisten ” (s. Anm. 5) 42.46-53.

Next

/
Thumbnails
Contents