Folia Theologica 16. (2005)

Otto Schwankl: Monotheismus im Neuen Testament

174 O. SCHWANKL druck, daß dieses Bekenntnis in der johanneischen Christologie ver­raten wird, und protestiert energisch gegen den „göttlichen" An­spruch Jesu. Ihr Vorwurf lautet, daß er sich Gott gleich macht (5,18), daß er, obwohl ein Mensch, sich selbst zu Gott (10,33) und zum Sohn Gottes macht (19,7). Das ist in den Ohren der Gegner Gottesläste­rung (ßA.ao<pr||aici) (10,33). Es weckt den Verdacht, daß die Christen von dem einen Gott Israels abfallen und einem Di-theismus oder „Bi-theismus", einem Zwei-Götter-Glauben verfallen. Ein solcher Verdacht kann nicht im Handstreich erledigt und ab­getan werden. Klar ist aber, daß die Johannes-Christen selbst (wie das ganze Urchristentum) die Christologie nicht so verstehen. Es handelt sich also um ein Mißverständnis, das freilich als dunkler „Schatten" im Rücken des hohen christologischen „Denkgebirges" lauert. Die Gefahr wird im Evangelium bereits gesehen und durch Ge­gengewichte gebannt60. Trotz der Wesenseinheit zwischen Jesus und Gott bleibt zwischen ihnen nicht nur eine Differenz, sondern an vielen Stellen auch ein Gefälle. Daß Jesus zu Gott betet und für die Jünger den Vater bitten wird (vgl. ll,41f; 12,27f; 14,15; 17), „will theologisch ernst genommen werden"61; ebenso die unmißver­ständliche Feststellung „Der Vater ist größer als ich" (14,28). Durch­gehend zeigt sich ein „subordinatianischer" Zug in der Sendungs­christologie. Zwar begründet die Sendung eine Autorität, die der des Sendenden gleichkommt, aber sie ist eben nicht eigen-mächtig, sondern „gegeben" (5,26f) oder verliehen. Alle Autorität des Ge­sandten geht vom Vater aus (vgl. 5,19). Insofern ist die geläufige Rede von der „Christozentrik" des Johannesevangeliums ebenfalls zu relativieren. Sie gilt auf der Basis des biblischen Gottesglaubens; und wo es nötig ist, diese Basis zu nennen, kann man auch eine Thcozentrik des Johannesevangeliums feststellen62. Der Evangelist jedenfalls sieht sein Christusbild als die Erfüllung dessen, was die 60 Vgl. zum folgenden M. THEOBALD, Gott (s. Anm. 37) 59-64; TH. SÖ- D1NG, Die Schrift als Medium des Glaubens. Zur hermeneutischen Bedeu­tung von Joh 20,30f in: Schrift und Tradition (FS J. Ernst). Paderborn 1996. 343-371, 358f. 61 M. THEOBALD, Gott (s. Anm. 37) 62. 62 Vgl. ebd. 60; DERS., Herrenworte im .Johannesevangelium (Herders Bibi. Studien 34), Freiburg i. Br. 2002. 590-593; L. SCHENKE. Christologie (s. Anm. 38) 463.

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