Folia Theologica 16. (2005)

Otto Schwankl: Monotheismus im Neuen Testament

172 O. SCHWANK!. dem einen Gott noch ein zweiter Gott neben ihm. Er ist die sich mitteilende Dimension Gottes, oder: der sich mitteilende, der spre­chende und durch das Wort vernehmbare Gott; der sich-kund-tuende Gott, zu dem es für den Menschen ohne diesen Logos keinen Zugang gäbe (vgl. 1,18). Als Logos tritt der unerreich­bare Gott aus seiner Transzendenz heraus, legt sich selber aus und wird erfahrbar. Das Ungeheuerliche der neutestamentlichen und besonders der johanneischen Gottesoffenbarung besteht aber nun darin, „dass die Rolle des Logos, der mit Recht auch ,Gott' genannt werden darf, ausgerechnet mit der Person des Zeitgenossen Jesus von Nazareth besetzt wird"55. Er allein ist der göttliche Offenbarer, oder, mit Hans Hübner: der „deus hermeneuticus"56, der sich-versteh- bar-machende, sich-zur-Sprache-bringende Gott. Als dieser „kontaktierbare" Gott begegnet der Auferstandene auch dem Zweifler Thomas, dem Empiristen unter den Aposteln. Gerade er gelangt zum höchsten, nämlich ausdrücklich theo-logischen Christusbekenntnis: „Mein Herr und mein Gott" (20,28). In einem „Ausruf der Anbetung"57 formuliert Thomas ideal­typisch das Ergebnis des Lernprozesses, der mit dem Evangelium erfolgt: die nur im Glauben gewinnbare Erkenntnis, „daß in Jesus die Wirklichkeit Gottes irdisch erschienen ist"58. Darum widerspricht auch diese Prädikation, wie die ganze joh- anneische Christologie, in keiner Weise dem monotheistischen Grundbekenntnis, sondern setzt es voraus und antwortet mit ei­nem „Stoßgebet" auf eine Gotteserscheinung, die den Betroffenen überwältigt. Der auferstandene Jesus, gezeichnet von den Wund­malen der Nägel und Dornen, wird für Thomas gleichsam zum Dornbusch, der im Feuer des Leidens nicht verbrannt ist, sondern weiter lichterloh brennt und im Herzen des Zweiflers das Feuer des Glaubens und der Liebe entzündet. Das Thomasbekenntnis wie die ganze johanneische Christologie ist nicht eigentlich darauf gerich­55 H.-J. KLAUCK, „ Pantheisten“ (s. Anm. 5) 46. 56 Vgl. H. HÜBNER, Deus hermeneuticus, in: Der lebendige Gott (s. Anm. 48) 50-58; DERS., Wer ist (s. Anm. 13) 166 u.ö. 57 M. THEOBALD. Gott (s. Anm. 37) 44 (Hervorhebung dort). 58 L. SCHENKE, Christologie (s. Anm. 38) 462: die folgenden Zitate ebd. 463 (mit Hervorhebungen).

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