Folia Theologica 16. (2005)
Otto Schwankl: Monotheismus im Neuen Testament
168 O. SCHWANKT. Pauschal gesagt: Die synoptische Verkündigung Jesu ist theo-zentrisch, die johanneische christo-zentrisch ausgerichtet. Der synoptische Jesus verkündigt die Herrschaft Gottes. „Der johanneische Christus verkündigt sich selbst. Er ist Subjekt und Objekt der Verkündigung"43. c) Eins mit Gott dem Vater Dieser „bemerkenswerteste Unterschied zwischen dem vierten Evangelium und seinen Vorgängern" ist theologisch brisant, und es hängt viel davon ab, wie er bewertet wird. Zunächst gilt für Johannes dasselbe wie für die Synoptiker: Indem sie von Jesus erzählen, verdrängen sie nicht die Theo-logie durch Christologie, sondern bringen den einen Gott auf eine neue Weise zur Sprache. Sie erzählen von Jesus gerade „um Gottes willen" und „um unseretwillen": weil das Königtum Gottes, das wir in den wirren Verhältnissen der Welt kaum wahrnehmen, in Jesus näherrückt und Gestalt gewinnt. Das Herannahen, das Kommen der Gottesherrschaft ereignet sich, fällt zusammen, fällt „in-eins" mit dem Kommen und Wirken Jesu. Das vierte Evangelium reflektiert und expliziert diese Gottes-Erfahrung weiter, bis zu ihrer radikalen, nämlich personalen Konsequenz. Was die Synoptiker als Geschehen darstellen, überträgt Johannes auf die Person, auf das personale Verhältnis. Synoptisch kann man sagen: Im Wirken Jesu kommt die Gottesherrschaft in die Welt. Johanneisch heißt das: ln Jesus kommt Gott zur Welt. Synoptisch: Das Wirken Jesu ist Anbruch der Gottesherrschaft. Johanneisch zugespitzt: Jesus ist Gott. Oder, mit dem Jesuswort, das genau in der Mitte des Johannesevangeliums steht44: „Ich und der Vater sind eins" (10,30)45. Diese Spitzenaussage der johanneischen Christologie ist ebenso tiefgründig wie gewagt. Sie spricht gleichzeitig von Gott und von Jesus und bestimmt ihr Verhältnis zueinander als Wesensmerkmal beider. Sie ergänzt nicht nur das monotheistische durch ein christo43 J. GNILKA, Theologie (s. Anm. 39) 246; dort auch das folgende Zitat. 44 Darauf verweist mit Recht U. SCHNELLE, Joh (s. Anm. 39) 22. 45 Vgl. dazu TU. SÖDING. „Ich und der Tater sind eins" (Joh 10,30/). Die johanneische Christologie vor dem Anspruch des Hauptgebotes (Dtn 6,4f). in: ZNW 93 (2002) 177-199.