Folia Theologica 16. (2005)

Otto Schwankl: Monotheismus im Neuen Testament

MONOTHEISMUS IM NEUEN TESTAMENT 165 selbstsicher vorgetragener Monotheismus dazu führt, daß man die gesellschaftliche Realität übersieht oder programmatisch mißachtet, muß er sozusagen neu geeicht und präzisiert werden. Das tut Paulus im Vers 6, indem er noch einmal das monotheisti­sche Bekenntnis vorbringt, und zwar jetzt mit einer christlichen Spezifizierung, die bereits am Versanfang einsetzt: Für „uns" Chri­sten gibt es, wie für die Juden, nur (den) einen Gott. Diese Homolo­gie erhält aber nun über die Attribute zum Gottesbekenntnis (Vater, Schöpfer, eschatologisches Ziel) hinaus eine Fortsetzung, die dem Bekenntnis einen „binitarischen Charakter" gibt34, so daß es mono­theistisch und christologisch bestimmt ist. Daß die Bezeichnungen „Götter" und „Herren", die in Vers 5 nahezu gleichsinnig verwen­det wurden, nun in der betonten Ein-zahl auf Gott den Vater und auf Jesus Christus aufgeteilt werden, wirkt kühn. Jesus Christus rückt hier in engste Nähe zu Gott dem Vater. Zwar kann man reli­gionsgeschichtlich zeigen, daß die christologische Bekenntnisbil­dung grundsätzlich auf Elemente aus dem „Leihhaus überlieferter Vorstellungen" zurückgreifen kann, besonders auf alttestamentli- che und frühjüdische Modelle, in denen Eleilsgestalten, „Retter, Mittler und Offenbarer" in ein Nahverhältnis zu Gott treten35. Aber solche „vorgespurte Bahnen" enden unweigerlich dort, „wo diese Rolle ausgerechnet mit Jesus von Nazareth besetzt wurde, dem scheinbar am Kreuz gescheiterten Messiasprätendenten"36. Im übrigen bleibt zwar auch in 1 Kor 8,6 eine gewisse Abstufung mit einem „theologischen Vorsprung" gewahrt. Sie zeigt sich vor al­lem in den unterschiedlichen Präpositionen, die Gott den Vater als Ursprung und Ziel (?^ und s?ç), Christus dagegen zweimal als Mitt­ler (5t?) bekennen. Aber die parallele Struktur der beiden Teile des Doppelbekenntnisses bewirkt doch beim Hören und Lesen den Ein­druck einer „Gleichstellung". struktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie [Conditio hu- manaj, Frankfurt a. M. 41974). 34 Vgl. W. SCHRÄGE, Unterwegs (s. Anm. 32) 68. 35 Vgl. W. SCHRÄGE, Unterwegs (s. Anm. 32) 92-132 (zitierte Wendung 98); H.-J. KLAUCK, „Pantheisten" (s. Anm. 5) 30-41. 36 Ebd. 45. Dort auch die folgende Wendung.

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