Folia Theologica 16. (2005)
Otto Schwankl: Monotheismus im Neuen Testament
MONOTHEISMUS IM NEUEN TESTAMENT 163 Die Reaktion auf den hohen Anspruch bleibt denn auch nicht aus. Sie fällt aber zwiespältig aus; und das ist nicht verwunderlich, sondern verständlich. An Jesus und seiner Gottesverkündigung scheiden sich die Geister und müssen sich - um Gottes willen - scheiden. Entweder sein Anspruch wird anerkannt: dann rückt er in die Nähe Gottes, und es ergibt sich ein christologisches Bekenntnis, das zu dem monotheistischen hinzutritt. Oder sein Anspruch wird abgelehnt, weil er das monotheistische Grundbekenntnis antastet. Erstmals kommt die Einzigkeit Gottes ausdrücklich zur Sprache bei der Heilung des Gelähmten, als ihm Jesus die Sündenvergebung zuspricht. Weil Sünden-Vergeben das Privileg Gottes ist, wird Jesus für die anwesenden Schriftgelehrten durch den mit dem Zuspruch verbundenen Anspruch zum Gotteslästerer. „Wie kann der so reden? Er lästert. Wer kann Sünden vergeben außer der eine/ein- zige Gott? (ei pp elç ó 0eôç bzw. povoç ó 0eôç; Mk 2,7 bzw. Lk 5,21). Wo Jesus auftritt, wo er redet und handelt, kommt Gott ins Spiel. Aber die Frage ist: Wird sein Name geheiligt oder gelästert? Die Auseinandersetzung zieht sich durch alle vier Evangelien, ln der synoptischen Passion erheben die jüdischen Gegner Jesu den Blasphemie-Vorwurf noch einmal (Mk 14,64 par); und im Johannesevangelium gewinnt der Disput um das Verhältnis von Jesus und Gott, von Christologie und Monotheismus, bereits Konturen, wie sie in der Folgezeit hervortreten. 3. Viele Götter und Herren - ein Gott und ein Herr (Paulus) Bevor wir zu Johannes kommen, machen wir Zwischenstation bei Paulus, und zwar aus Zeitgründen nur an einer markanten Stelle, in 1 Kor 8,4-6, obwohl sich auch andere anbieten würden32. Die paulinischen Gemeinden rekrutieren sich überwiegend aus der hellenistisch-heidnischen Kulturwelt. So überrascht es nicht, daß der polytheistische Horizont in den Paulusbriefen auftaucht. Überrascht sein kann man aber, wenn Paulus in 1 Kor 8 einen Polytheismus zwar kritisiert, aber die monotheistische Grundthese, scheinbar inkonsequent, doch einschränkt. 32 Vgl. W. SCHRÄGE, Unterwegs zur Einzigkeit und Einheit Gottes. Zum „ Monotheismus“ des Paulus und seiner alttestamentlich-friihjudischen Tradition (BThS 48), Neukirchen-Vluyn 2002, PASSIM. Schräge behandelt 1 Thess l,9f; Rom 3,29f; Gal 3.20; 1 Kor 8.4-6: Gal 4.8: 1 Kor 2.6 und 15,23-28 sowie Phil 2,9-1 I.