Folia Theologica 16. (2005)

Otto Schwankl: Monotheismus im Neuen Testament

162 O. SCHWANKL storische Jesusforschung, wenn sie theologische Kategorien nicht gewaltsam unterdrückt, unweigerlich auf christologische und in Verbindung damit auf theologische Momente. Denn die Synoptiker bezeugen unisono, daß die christologische Urfrage letztlich auf die Gottesfrage zuläuft; wie auch umgekehrt: daß die Gottesfrage sich an Jesus entscheidet. Zwar verkündet Jesus nicht sich selbst, son­dern Gott und seine Herrschaft; aber er verkündet sie als ein Ge­schehen, das sich mit ihm selber, mit seinem Auftreten, mit seinen Worten und Taten verwirklicht, also untrennbar mit seiner Person verbunden ist. im Jargon der Sprechakt-Theorie28: Jesus redet von Gott und sei­ner Herrschaft nicht nur „informativ" und „konstativ", sondern „performativ". Seine Gottesverkündigung ist eine „stiftende Mittei­lung"29, eine „vollbringende Äußerung", die das, was der Sprecher sagt, zugleich ins Werk setzt und die deshalb nach J.L. Austin typi­scherweise auch „ein Nachspiel ha(t)"30, das heißt, die An- sprech-Partner zu einer Reaktion oder Antwort auffordert. Jesus spricht und handelt sozusagen als Gottes Mund und verlängerter Arm. In seiner Person tritt Gott an die Menschen heran (vgl. z.B. Lk 11,20); daher wird die Reaktion und Entscheidung der Menschen ihm (Jesus) gegenüber zum Kriterium für das Urteil im Endgericht (Lk 12,8f par). Unabhängig davon also, ob der sogenannte historische Jesus ir­gendwelche „Hoheitstitel" für sich gebraucht oder beansprucht hat, erhebt er mit seiner Verkündigung einen hohen Anspruch, der an vielen Stellen aufklingt. Den Willen Gottes proklamiert er, etwa in den Antithesen der Bergpredigt (Mt 5,21-48), mit einer Souveränität und einer Autorität, hinter der keine andere Autorität steht „als sei­ne eigene, aber diese ohne jede Einschränkung"; mit einem An­spruch also, der als „Eingriff in göttliche Prärogative" empfunden werden konnte31. 28 Vgl. J.L. AUSTIN, Zur Theorie der Sprechakte, Stuttgart 1972, bes. 27-35.161 f. 29 E. BISER, Der Helfer. Eine Vergegenwärtigung Jesu, München 1973, 109; vgl. DERS., Der Freund. Annäherungen an Jesus (Serie Pieper 981), Mün­chen 1989, 5 If. 30 Zur Theorie (s. Anm. 28) 1301'. 31 U. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus. I. Teilband: Mt 1-7 (EKK I/1 ), Düsseldorf/Neukirchen s2002, 332.331.

Next

/
Thumbnails
Contents