Folia Theologica 16. (2005)
Otto Schwankl: Monotheismus im Neuen Testament
MONOTHEISMUS IM NEUEN TESTAMENT 161 tegorisierbarkeit seiner Person und seines Wirkens"25. Sie bedeutet für die Christologie ein Dilemma und ein Potential. Ein Dilemma, weil sich keine Erfahrung und kein Geheimnis ohne vorgegebene Kategorien erschließen läßt. Wenn die Gestalt Jesu nicht kategorisierbar ist, unternimmt die Christologie von vornherein etwas, das sie „eigentlich" nicht kann. Soll sie überhaupt etwas sagen können, muß sie sich aus dem „Leihhaus überlieferter Vorstellungen und Interpretationsmuster" bedienen und „(d)as Neue, das in Jesus erschien, in die Sprache der Gesprochenheiten zurück(nehmen)"26. Die Christologie kann dieses Dilemma nicht überspringen, sondern höchstens mildern und eigens darauf hinweisen. Die Synoptiker tun das, indem sie eine großenteils „indirekte" Christologie betreiben und indem sie vorgegebene Kategorien zwar verwenden, aber zugleich negieren, korrigieren oder widersprüchlich einsetzen. So lassen sie Jesus als „großen Propheten" wirken (vgl. Lk 7,16), weisen aber andernorts dieses Bild der Volksmeinung zu (vgl. Mk 6,15; 8,27f) und überbieten es mit einem „offenen Komparativ": „Hier ist mehr als Jona" (QLk 11,32). Ein Potential ist die „Nichtkategorisierbarkeit" Jesu insofern, als sie die christologische Frage nicht zur Ruhe kommen läßt. Die christologi- sche Reflexion wird zu einer „unendlichen Geschichte"; sie findet auf die Frage, wer Jesus ist, im besten Fall „gültige", „unbestreitbar und unverlierbar (d)enkwürdige"27 Antworten, aber keine end-gültigen, mit denen die Frage erledigt wäre. Weil kein Sprachmuster völlig ausreicht, versucht sie es mit immer neuen Modellen und Kategorien. d) ... und die Gottesfrage Dabei bleibt sie jedoch verpflichtet auf das neutestamentliche Zeugnis und darin auf die synoptische Jesustradition, die von Anfang an christologisch bestimmt ist und nicht etwa ein „unchristolo- gisches" Stadium erkennen läßt. Deshalb stößt gerade auch die hi25 J. KÜGLER, Die Geburt Jesu aus dem Geist der Wissenschaft, in: Őrien. 61 (1997) 192-196. 26 F. STIER, Vielleicht ist irgendwo Tag. Aufzeichnungen, Freiburg/Heidelberg 31982, 69. 27 H. SCHLIER. Biblische und dogmatische Theologie, in: DERS.. Besinnung auf das Neue Testament. Exegetische Aufsätze und Vorträge II, Freiburg i. Br. 1964, 25-34, 32 (in einer Definition des „Dogmas“).