Folia Theologica 16. (2005)

Otto Schwankl: Monotheismus im Neuen Testament

156 O. SCHWANKT. einfach, sozusagen „trito-kanonisch", zur jüdischen Bibel hinzuge­kommen, sondern bilden einen eigenen zweiten Teil der Bibel? Warum sind sie überhaupt in einen kanonischen Rang aufgestie­gen? Warum sind sie überhaupt entstanden? Auch für diese Fragen rufen wir die Wortstatistik zu Hilfe, ln der Häufigkeitstabelle der Substantiva folgen auf 0eôç/Gott, der mit großem Abstand die Rangliste anführt (1314 Belege), an zweiter, dritter und fünfter Stelle die Wörter ' Ipooûç/Jesus (905x), KÙpioç/Herr (718x) und Xpioxooç/Christus (529x)n. Zwar sind wortstatistische Erhebungen bei der theologischen Auswertung mit Vorsicht zu handhaben. So ist von Gott auch ohne das Wort 0e?ç die Rede, zum Beispiel im verhüllenden theologi­schen Passiv oder in Gleichnisform; ebenso von Jesus auch ohne die hier genannten Namen und Titel. (Das Wort tcùpioç/Herr be­zieht sich zudem auf verschiedene Größen: an manchen Stellen auf Gott, an einigen auch auf andere - menschliche oder übermenschli­che - Gestalten.) Trotzdem ergibt sich bei den genannten Wörtern aus der Statistik ein theologisch profilierter Befund: Das Neue Te­stament ist nicht nur „wesentlich Rede von Gott"12, sondern ebenso wesentlich Rede von Jesus. Es redet von Gott so, daß es zugleich von Jesus als dem Kyrios und Christus spricht. Nach dem neutesta- mentlichen Zeugnis könnten wir den anthropologischen Leitsatz Bultmanns christologisch transponieren: „will man von Gott reden, so muß man offenbar von Jesus Christus, dem Kyrios, reden". Da­mit ist das Proprium der neutestamentlichen Theologie wie auch des neutestamentlichen Monotheismus Umrissen. c) Das Problem Hier taucht aber ein Problem auf. Wenn der eine und einzige Gott „nicht ohne Jesus Christus" zur Sprache kommt, stellt sich so­fort die Frage, ob der feste Monotheismus dadurch nicht aufge­weicht oder „preisgegeben" wird13. I I Angaben gemäß R. MORGENTIIALER. Statistik, des neutestamentlichen Wortschatzes, Zürich 1982. (An vierter Stelle steht übrigens ôvSpcoTCoç/Mensch mit 548 Belegen.) 12 O. KUSS, Theologie (s. Anm. 8) 389. 13 Vgl. H. HÜBNER, Wer ist der biblische Gott? Fluch und Segen der mono­theistischen Religionen (BThS 64), Neukirchen-Vluyn 2004, 95.

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