Folia Theologica 16. (2005)

Géza Kuminetz: Die kanonische Form im lateinischen und orientalischen Kodex

114 G. KUMINETZ Es haben zwar viele während und nach dem 11. Vatikanischen Konzil die Wichtigkeit der kanonischen Eorm angezweifelt; den­noch beließ der kirchliche Gesetzgeber die hier angeführten kano­nischen Rechtsregeln in unveränderter Form. Was kann die kirchliche Behörde, im vorliegenden Fall die ober­ste Kirchenbehörde, hinsichtlich der kanonischen Form tun? Das heißt: wie weit reicht die Vollmacht der Kirche? 1) Sie kann die we­sentlichen Elemente der Form verändern. So kann z.B. der priester- liche Ehesegen den Katholiken des lateinischen Ritus vorgeschrie­ben, oder für die unierten Ostkirchen aufgehoben werden, 2) die Möglichkeiten der Erteilung des kirchlichen Ehesegens können be­schnitten oder ausgeweitet, die Bedingungen einer Dispens von Formvorschriften verändert werden, 3)der Kreis der zur kanoni­schen Form Verpflichteten kann verändert werden, 4) die Ver­pflichtung zur kanonischen Form als Gültigkeitsbedingung kann aufgehoben werden. 5) man kann zu dem lehrmäßigen (doktrinä­ren) Prinzip zurückkehren, nach dem die kanonische (kirchen­rechtliche) Form auf alle Getauften auszudehnen wäre, da die Ka­tholische Kirche für alle Getauften nach eigenem, ausschließlichem und unabhängigem Recht Gesetze erlässt und die Gerichtsbarkeit über die innerhalb der Grenzen ihres Amtsbereichs geschlossenen Ehen ausübt. Diese Möglichkeit beruht also auf einem lehrmäßigen Prinzip, obwohl es auf den ersten Blick im Widerspruch zu den ökumenischen Bestrebungen und dem Recht auf Religionsfreiheit zu stehen scheint. Dies ist jedoch nur ein scheinbarer Gegensatz , da es sich um ein lehrmäßiges Prinzip handelt. Einerseits ist die Kir­che Christi ihrem Wesen nach in der Katholischen Kirche verwirk­licht, und wird von keiner anderen Glaubensgemeinschaft so voll­kommen repräsentiert wie in der Katholischen Kirche. Dies kommt daher, dass sich die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaf­ten von der früher einheitlichen Kirche abgetrennt und gelöst ha­ben. Wir dürfen es auch so formulieren, dass diese Kirche die Mut­terkirche ist, die auf die Rückkehr ihrer Söhne und Töchter in die Heimatkirche wartet. Und andererseits muss das Recht auf Reli­gionsfreiheit auch für die Katholische Kirche gelten, das heißt, die Katholische Kirche darf ihre Lehre, die Wahrheit, in der Gesell­schaft und allen Völkern frei verkünden.

Next

/
Thumbnails
Contents