Folia Theologica 15. (2004)

Hans Mendl: Ethikunterricht in Deutschland

78 H. MENDL 4. Ethikunterricht in den Ländern der BRD 4.1. Historische Entwicklung seit Beginn der Bundesrepublik Schon vor der Entstehung des Grundgesetzes schrieben Bayern (1946), Rheinland-Pfalz (1947) und das Saarland (1947) in ihren Lan­desverfassungen vor, dass Schüler, die nicht am Pflichtfach Reli­gionsunterricht teilnehmen wollten, an einem Ersatzfach, z.B. am „Unterricht über die allgemein anerkannten Grundsätze des natür­lichen Sittengesetzes" (Rheinland-Pfalz 1947) teilzunehmen hät­ten.22 Das darf jedoch nicht so interpretiert werden, dass diese Län­der die zunehmende Pluralisierung und Säkularisierung vorhersa­hen und entsprechende Maßnahmen für einen Ethikunterricht tref­fen wollten. Man wollte vielmehr prophylaktisch ein deutliches hierarchisches Gefälle zwischen dem ordentlichen Pflichtfach Reli­gionsunterricht und einem Ethikunterricht, welchem nur ein Er­satzfach-Status zukam, errichten.23 Dies zeigte sich auch realiter: Eine Installation des Ersatzfaches im Schulrecht und in der Schul­praxis erfolgte auch in diesen Ländern erst in den 70er Jahren, als bedingt durch die Kritik am damaligen schulischen RU (siehe oben) und erstmals steigende Abmeldezahlen24 Handlungsbedarf bestand und die Lehrerverbände auf eine rechtliche Klärung drängten. Konkret bedeutet dies nun in Bayern: Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, ihre Kinder vom RU abzumelden. 25 4.2. Aktuelle Gesetzeslage in den Ländern im Überblick Wie eingangs bereits angedeutet: Der Föderalismus hat zur Fol­ge, dass der Ethikunterricht rechtlich in den einzelnen Bundeslän­dern unterschiedlich verankert wurde. Der nachfolgenden Tabelle 22 Reents, 108. 23 Z.B. Art 136 BV: RU als ordentliches Pflichtfach; Art 137 (2) BV: „Für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ist ein Unterricht über die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit einzurichten.“ 24 Besonders hoch an Gymnasien und in Städten, z.B. im Jahre 1970 hatten sich in Schleswig-Holstein 38,18% der evangelischen Gymnasiasten vom RU ab­gemeldet. - Siehe Seiferlein, 58. 25 Vgl. einen Überblick über die gesetzlichen Bestimmungen in: KATHOLI­SCHES SCHULKOMMISSARIAT IN BAYERN (Hg.), Handreichungen zum Lehrplan Katholische Religionslehre. Materialien für den Religionsunterricht an Grundschulen, München 2002, 210-222, bes. 212.

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