Folia Theologica 15. (2004)

Hans Mendl: Ethikunterricht in Deutschland

76 H. MENDL stische, deutschgläubige und auch religiös motivierte Varianten ausmachen.14 Dieses Pluriformität muss aber auch im Sinne einer Probleman­zeige betrachtet werden: Wie lässt sich Ethik in Pluralität begrün­den? Unbestritten aber ist, dass ethische Erziehung zu den Grund­funktionen von Schule gehört.15 Schulische Bildung beschränkt sich nicht auf Wissensvermittlung und Qualifizierung, um nur zwei Funktionsbereiche zu benennen, ihr wurden immer schon über alle Ideologien hinweg und auch international16 erzieherische und ethi- sierende Aufgaben zugesprochen. Auch in der aktuellen bildungs­politischen Diskussion ist man sich darüber einig, dass Schule Bil- dungs- und Erziehungsaufgaben zu erfüllen hat. Unter dem plakati­ven Stichwort eines „Muts zur Erziehung"17 wird gefordert, dass Schule nicht nur Wissen, sondern ebenso ethische und soziale Kompetenzen zu vermitteln habe. Begründet wird dies mit Verweis auf die landesverfassungsrechtlichen Erziehungsziele (z.B. Ehr­furcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen, Bereit­schaft zum sozialen Handeln, Achtung vor der Überzeugung des anderen usw.)18. Rückenwind bekommt dieser Ansatz zusätzlich durch Berichte über Gewalttaten an Schulen (Erfurt, Coburg), aber auch durch entsprechend medial aufbereitete Katastrophentheo­rien des Kindes- und Jugendalters (Schulschwänzer, Bekleidungs­fragen, Konsumdaten). In allen bundesdeutschen Lehrplänen sind deshalb der Be­schreibung fachspezifischer Lernziele und -inhalte allgemeine Bil- dungs- und Erziehungsaufgaben vorgeschaltet; diese umfassen ein breites Spektrum von allgemeiner Persönlichkeitsentwicklung über Wertorientierung bis hin zu differenzierten Feldern der Familien- und Sexualerziehung, Freizeiterziehung, Gesundheits- und Me­dienerziehung usw. Diese Bildungs- und Erziehungsaufgaben sol­14 Vgl. REENTS, 112. 15 Vgl. G. ADAM - F. SCHWEITZER (Hg.), Ethisch erziehen in der Schule, Göttingen 1996. 16 Vgl. im knappen Überblick: SCHMITT 2001, 491; breiter: B. BRÜNING, Et­hikunterricht in Europa, Leipzig 1999. 17 Z.B. E. ZELTNER, Mut zur Erziehung, München 1997. 18 Vgl. SEIFERLEIN, 86-96.

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