Folia Theologica 15. (2004)

Hans Mendl: Ethikunterricht in Deutschland

ETHIKUNTERRICHT IN DEUTSCHLAND 73 liehen Schule innerhalb einer pluralen Gesellschaft; er ist theolo­gisch und pädagogisch begründet, für unterschiedlich religiös so­zialisierte und interessierte Schüler konzipiert und versucht Glau­ben und Leben in einem produktiven Wechselspiel aufeinander zu beziehen. Mit diesem „Dokument einer Wende" wurde der konfes­sionelle Religionsunterricht im Fächerkanon der öffentlichen Schu­len salonfähig. Gleichzeitig hält man bis heute bei aller ökumeni­scher Offenheit („konfessionell-kooperativer RU") an einem konfes­sionellen Religionsunterricht fest.7 Wie jüngere empirische Unter­suchungen zeigen, ist der Religionsunterricht in Deutschland ge­sellschaftlich akzeptiert und gehört vor allem in der Grundschule zu den beliebtesten Fächern.8 Die Öffnung des Religionsunterrichts auf Schüler und Gesellschaft hin führte freilich auch dazu, dass die Konturen zwischen ihm und den je eigenen Formen von Ethik- Unterricht gelegentlich verschwimmen. Man muss diese fazettenreiche Beziehungsgeschichte zwischen Kirche und Staat im Bereich des Schulwesens darstellen, weil nur vor diesem Hintergrund plausibel der Stellenwert und die Gestalt des Ethikunterrichts erläutert werden können. 3. Ethikunterricht und Gesellschaft 3.1. Aufklärung Der Verlust des Weltdeutungsmonopols des Christentums in der Moderne schlägt sich seit der Aufklärung in der Forderung nach einer von kirchlicher Bevormundung abgelösten ethischen Er­ziehung nieder. Jan Arnos Comenius hatte bereits in seiner Pampae- dia (vor 1670) einen eigenständigen Ethikunterricht vorgeschla­gen.9 Die aufklärerischen Pädagogen und Philanthropen wie Base­dow und Salzmann konzipierten schließlich eine „allgemeine Sit­tenlehre", eine praktische Philosophie für alle Stände, die allein aus Einsicht und mit Vernunft gewonnen werden sollte. Diese allge­7 Die bildende Kraft des Religionsunterrichts. Zur Konfessionalität des katholi­schen Religionsunterrichts, hg. v. Sekretariat d. Deutschen Bischofskonfe­renz, Bonn 1996. 8 A. BUCHER, Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe. Eine empirische Untersuchung zum katholischen Religionsunterricht in der Bun­desrepublik Deutschland, Stuttgart u.a. 2000.

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