Folia Theologica 15. (2004)
Hans Mendl: Ethikunterricht in Deutschland
ETHIKUNTERRICHT IN DEUTSCHLAND 71 Schulhoheit - das war damals auch die Geburtsstunde des bayerischen Kultusministeriums. Freilich galt im Volksschulbereich auf lokaler Ebene nach wie vor die sogenannte „geistliche Schulaufsicht", welche endgültig erst mit der Weimarer Verfassung im Jahre 1919 abgeschafft wurde.4 Ab dieser Zeit wurde auch die grundsätzliche Aufteilung des Schulwesens in katholische oder evangelische „Bekenntnisschulen" in Frage gestellt. Diese sollten durch sogenannte „christliche Simultanschulen" - Schulen ohne bekenntnismäßige Trennung - ersetzt werden. Erst in der Zeit der Nationalsozialismus wurde diese Forderung nach „Gemeinschaftsschulen" mit dem entsprechenden Druck flächendeckend umgesetzt, wie überhaupt die Nationalsozialisten die Kirchen aus den Schulen herauszudrängen versuchten (Entlassung kirchlicher Lehrer, Kruzifixstreit, Eliminierung des Religionsunterrichts). Die Folge: Nach dem Trauma der NS-Zeit galten religiöse Bildung, verantwortet von den großen Kirchen, und der Rückgriff auf Strukturen vor 1933 als Garanten gegen den Totalitarismus. Der konfessionelle Religionsunterricht wurde deshalb 1949 im Grundgesetz an hervorgehobener Stelle bei den Grundrechten verankert: GG Art 7, 3: „Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Schulfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen." Ausgenommen war über die sogenannte „Bremer Klausel" zunächst nur das Land Bremen.5 Bedingt durch den Vier-Mächte- Status wurde später auch in West-Berlin der Religionsunterricht nach Art 7 GG als schulisches Pflichtfach abgeschafft, wie auch in der Sowjetischen Besatzungszone, also im Gebiet der ehemaligen DDR, an Schulen kein Religionsunterricht erteilt werden durfte. Bis 4 Art 144 WRV 1919. 5 GG Art 141: „Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand. Diese Bestimmung trifft nur im Lande Bremen zu.“ ln der Landesverfassung Bremens heißt es in Art 32 der Landesverfassung: „Die allgemeinbildenden öffentlichen Schulen sind Gemeinschaftsschulen mit bekenntnismäßig nicht gebundenem Unterricht in Biblischer Geschichte auf allgemeiner christlicher Grundlage.“