Folia Theologica 15. (2004)

Géza Kuminetz: Die Garantien der freien Handlung im kanonischen Recht mit besonderer Rücksicht auf das Recht zur freien Wahl des ehelichen Lebensstandes

66 G. KUMINETZ 2.2.1. Verschiedene Formen der Mangel an die Freiheit der ehelichen Einwilligung Die Freiheit der Eheschließung wird - wie bereits erwähnt - durch äußere (ab extrinseco) und innere (ab intrinseco) Faktoren beeinflusst. So kann es Vorkommen, dass auf eine Partei - auch ge­gen ihren Willen - bezüglich ihrer Absicht irgendeine dritte Person - z. B. eben ihr(e) Zukünftige - beeinflusst. Dieser Einfluss muss eine bestimmte kritische Stufe erreichen bzw. bis an die Stufe, an die der Gesetzgeber annullierende Wirkung knüpft, reichen, damit die Einwilligung im Grunde unwirksam ist. Die Handlungen unter unwiderstehlichem Zwang werden als nicht zustande gekommene Handlungen qualifiziert. Wenn z. B. jemand mit Gewalt zu einem ansonsten über Bevollmächtigung verfügenden Geistlichen ge­schleppt wird, der ebenfalls zur Mitwirkung gezwungen wird, gilt diese Handlung als nicht zustande gekommen, die genannte Per­son bleibt also freien Standes, sie kann später mit einer anderen Person (oder mit derselben Person, die sie gezwungen hat) die Ehe schließen. Beim Bestehen solches unwiderstehlichen Zwanges bil­det den Grund der Nichtigkeit nicht die Ungerechtigkeit (iniuria), sondern die psychische Situation des Subjekts, das nämlich, dass seine Entscheidung nicht seine Entscheidung ist, weil sie vom Wil­len einer anderen Person abhängt (wir können das entweder so darstellen, dass die andere Person seine Willensaktivität ausschal­tet, oder so, dass die andere Person diese Willensaktivität völlig übernimmt und bestimmt). Die Ehe einer Person ist unwirksam, wenn sie ihre Ehe unter schwerer, von außen kommender, viel­leicht nicht absichtlich verursachter Furcht geschlossen hat, von welcher Furcht sie sich nicht anders befreien konnte, als mit der Wahl der Eheschließung. In diesem Falle besteht nicht nur die vo­luntas contrahendi, sondern auch der Wille zur Ehe, doch ist dieser Wille nicht wirklich frei, denn die Person will nicht die Ehe selber, sondern die (zumindest vorübergehende) Befreiung von einem von außen kommenden Übel. Der moralische Zwang beeinträchtigt nur die Entscheidungsfreiheit. Deshalb kommt beim Bestehen solchen Sachverhaltes oft partikulare oder totale Vortäuschung vor. Im Fal­le der äußeren Zwangsausübung ist sich die gezwungene Person des Verlustes bzw. der Beeinträchtigung ihrer Freiheit voll im Kla­ren, während sie sich im Falle eines - nennen wir es so - inneren Zwanges möglicherweise des Sachverhaltes nicht bewusst ist.

Next

/
Thumbnails
Contents