Folia Theologica 15. (2004)
Géza Kuminetz: Die Garantien der freien Handlung im kanonischen Recht mit besonderer Rücksicht auf das Recht zur freien Wahl des ehelichen Lebensstandes
64 G. KUMÏNETZ dient schließlich dazu, dass die Gläubigen ihren Lebensstand vor Gott und vor der Kirche gewissenhaft bereinigen können. Wenn ferner zwischen den beiden Parteien (deren Lebensgemeinschaft vor der Kirche nicht für eine rechtmäßige Ehe gilt) eine wirkliche Einwilligung bezüglich der Ehe bereits zustande gekommen ist und diese wirkliche Einwilligung auch des Weiteren besteht (obwohl sie wegen Hindernisses oder Formmangels keine rechtliche Wirkung hatte), und die Gültigmachung nach der Eheschließungsform auf Schwierigkeiten stößt, ist die Ehe urkundlich bereinigbar mithilfe des Rechtsinstituts der Heilung in der Wurzel. Der kirchliche Gesetzgeber knüpft keine Förmlichkeiten an die Eheschließung, sondern betrachtet deren Einstellung; er verlangt das Zustandekommen und Bestehen der Einwilligung als zentrales Element der Eheschließung. In diesem Kapitel ist über die eigentlichen, spezifischen Garantien der Freiheit der Eheschließung, d. h. über die Unfähigkeit zur Einwilligung bzw. über die wesentlichen Mängel der Einwilligung kein Wort gefallen, da diese Probleme im nächsten Kapitel diskutiert werden. 2.2. Die spezifische Garantien der freien, d. h. nach dem eigenen Gewissen erfolgten Eheschließung Sprechen wir über das Grundrecht zur Eheschließung, so sprechen wir über das Recht zur freien Wahl des Lebensstandes. Die Würde der menschlichen Person findet in der freien Wahl und Entscheidung ihren Ausdruck. Gleichzeitig müssen wir auch betonen, dass es sich nicht um das Recht handelt, dass man ständig einen Lebensstand neu wählen kann, nach dem man sich in irgendeinem Augenblick seines Lebens sehnt, sondern vielmehr um das Recht, das die von allen Zwängen freien Wahl des Lebensstandes gewährt. Wer einen Lebensstand für ein ganzes Leben bereits gewählt hat, hat dieses Recht nicht mehr, oder zumindest muss er auf die neuerliche Ausübung dieses Rechtes verzichten. Die Wahl des Lebensstandes hängt nicht nur von bloßer Sehnsucht ab, sondern es 2 In diesem Abschnitt haben wir besonders auf folgenden Artikel basiert: TURNATURI, E., Il dritto fondamentale del fedele alla libera scelta dello stato coniugale e il difetto di libertà nel consenso matrimoniale canonico, in Monitor Ecclesiasticus 126 (1996) 407-428.