Folia Theologica 15. (2004)
Géza Kuminetz: Die Garantien der freien Handlung im kanonischen Recht mit besonderer Rücksicht auf das Recht zur freien Wahl des ehelichen Lebensstandes
DIE GARANTIEN DER FREIEN HANDLUNG 61 Gemeinwohls schädliche Folgen haben kann (z. B. kanonische Wahl). Blicken wir schließlich auf die rechtlichen Folgen der Unwissenheit und des Irrtums, so müssen wir feststellen, dass nur Unwissenheit und Irrtum über das Wesen oder die wesentliche Bedingung der Handlung annullierende Wirkung zur Folge haben. Anderenfalls ist die Handlung wirksam, aber - sofern sie von ihrer Natur her unaufhebbar ist (z. B. die Ehe) - kann man auch nachträglich die Nichtigerklärung beantragen. Das Recht könnte über die genannte Handlung freilich auch anders verfügen, abweichend von der angeführten Grundregel. Nach dieser Einleitung möchten wir untersuchen, wie die Disziplin der Kirche die Freiheit bzw. die menschliche Würde der Eheschließung verbürgt, also worin die Garantien dafür bestehen, dass niemand gegen sein eigenes Gewissen zu einer Eheschließung genötigt sein kann. 2. Die rechtlichen Garantien der freien Wahlmöglichkeit der Ehe als Lebensstand Den Gläubigen liegen im Grunde drei Lebensstandsmöglichkeiten vor, je nachdem, wozu Gott sie ruft bzw. was sie bedacht wählen und wozu sie sich verpflichten. Es geht um einen Lebensstand, der eine Entscheidung in bezug auf das ganze Leben verlangt. Diese drei Lebensstände sind die Ehe, der Priesterstand und das Ordensleben. Alle drei verlangen ihrer Natur nach eine spezifische Vorbereitung. Obwohl die Ehe nicht nur ein natürlicher, sondern auch ein sakramentaler Bund ist, scheint es trotzdem so, dass sie keine besonders sorgfältige Erwägung braucht wie das mit dem Zölibat verbundene Priester- und Mönchsleben. Dieser Unterschied spiegelt sich z. B. in den unterschiedlichen Zeiträumen, die die Vorbereitung bezüglich der drei Lebensstände verlangt. Darin spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass man schon von der Natur her zur Ehe gelenkt wird, aber die Ehelosigkeit des Ordensmannes bzw. der Ordensfrau und der Zölibat des für das Reich Gottes auf sich genommene priesterliche Leben insofern objektiverweise verwundbarer ist, da es sich stärker auf das Übernatürliche stützt. Auf jeden Fall gelten alle drei Entscheidungen für ein ganzes Leben; daher verlangen sie eine qualifizierte Freiheit. In diesem Vortrag aber beschäftigen wir uns nur mit den rechtlichen Garantien der Ehe.