Folia Theologica 15. (2004)
Géza Kuminetz: Die Garantien der freien Handlung im kanonischen Recht mit besonderer Rücksicht auf das Recht zur freien Wahl des ehelichen Lebensstandes
60 G. KUMINETZ Handlung. Eine andere Möglichkeit des Rechtssystems besteht darin, dass es vor einer Entscheidung bei sonstiger Unwirksamkeit die Anhörung bzw. Einwilligung bestimmter Personen oder Personengruppen verlangt. Prozesse, die von besonderer Wichtigkeit sind, können einem Kollegialgericht überlassen werden, oder man kann zu diesem Zweck auch ein Gremium errichten. Dadurch verbürgt das Rechtssystem eine besser begründete Entscheidung. Alle freien Handlungen haben spezifische äußere und innere Voraussetzungen, und das gilt auch für die rechtlich bedeutsamen Handlungen. Eine nicht nur erfolgte, sondern auch gültige und auch vor der Gemeinschaft wirksame Handlung braucht das zumindest ausreichende Bestehen dieser Bedingungen. Welche Bedingungen sind diese? Wir finden sie im Wesentlichen in den Kanones 124-125 (CIC). Demnach muss eine Handlung, die in bezug auf die Rechtsordung Wirkung ausüben will, frei von äußerem Zwang sein. Sie kann nicht von schwerer Furcht bzw. Täuschung beeinflusst vollzogen werden; außerdem darf man in Beziehung auf das Wesen der Handlung nicht in Unwissenheit bzw. im Irrtum sein. Im Falle eines unwiderstehlichen Zwanges lässt sich nicht über menschliche Handlung reden, deshalb wird die unter solchen Umständen zustande gekommenen Handlung als nicht erfolgte Handlung qualifiziert, sie kann also keine Rechtsfolgen haben. Es kann der Fall sein, dass jemand unter solchen Umständen eine Ehe „schließt". Was die Furcht und Täuschung betrifft; so liegt auch dem unter solche Umstände geratenen Menschen noch irgendeine Wahl- bzw. Entscheidungsmöglichkeit vor, doch sie ist deutlich getrübt. Da der gezwungene Wille auch ein Wille ist, muss man im Einklang mit dem Grundprinzip sagen, dass die Handlung wirksam ist, dass aber der Geschädigte oder dessen Rechtsnachfolger die Möglichkeit haben, eine Anfechtungsklage zu erheben. Es gibt aber qualifizierte Handlungen, die eine besondere Freiheit verlangen, deshalb hat sie der Gesetzgeber auf eine andere Art geregelt, d. h. er hat solche bei Vorliegen schwerer Furcht bzw. Täuschung zustande gekommenen Handlungen als von vornherein unwirksam erklärt. Dieses andersartige Vorgehen hat den Grund, dass das Rechtsgeschäft von seiner Natur her unauflösbar ist (z. B. Ehe) oder weil die Verpflichtung auf besonderer Weise heilig ist (z. B. Gelübde, Eid) oder weil die genannte Handlung hinsichtlich des