Folia Theologica 15. (2004)

László Holló: Der Beitrag der Kirche zum Zusammenleben der Volksgruppen

DER BEITRAG DER KIRCHE 41 flikte verdrängt, sondern dass er sie fair zu lösen versucht. Wenn da von der Versöhnung gesprochen wird, kann das natürlich nicht bedeuten, dass die interessensbedingten Gegensätze zwischen Mehrheit und Minderheit im Namen der christlichen Liebe, bezie­hungsweise der Versöhnung, einfach aufgehoben werden könnten. Das Maß der Liebe ist nicht die Aggressionslosigkeit - etwa das Un­terlassen jeden Anspruches und jeder Herausforderung -, sondern die Unverletzlichkeit des anderen. Der Kampf der Minderheiten um die Wahrung ihrer Rechte ist, sofern nicht ein Ausnahmezu­stand vorliegt, ein Teil der normalen Auseinandersetzungen, die wegen der unterschiedlichen Interessenlagen unvermeidlich sind. Vergebung ist immer auch eine Art aufgeben. Daher stellt wirkli­ches Vergeben oftmals auch für Christen eine harte und schwer zu erfüllende Anforderung dar. Um so schwerer wird es, wenn Natio­nen sich miteinander versöhnen sollten, vor allem, weil die ethni­schen Streitigkeiten von heute, wie oben dargestellt, weit in die Vergangenheit zurückreichen. Die Wunden sind zu tief, und alle Völker haben ein langes Gedächtnis. Der Hass wird buchstäblich von Generation zu Generation weitergegeben. Die Aufgabe der Kir­che liegt zweifellos darin, die unberechtigten Vorurteile abzubauen und uns zu lehren, alteingewurzelten, historisch gewachsenen Groll zu vergessen. Versöhnungsbereitschaft dürfte allerdings nicht als Ersatz für fehlende Gerechtigkeit verstanden werden, sie setze vielmehr den Einsatz für mehr Gerechtigkeit voraus. 3. Zusammenfassung Für die Minderheiten ist Gewalt nicht selten die letzte Möglich­keit, den eigenen politischen Standpunkt vorzubringen, vor allem dann, wenn andere politische Ausdrucksmöglichkeiten verschlos­sen sind, oder nicht zum gewünschten Erfolg führen. Es liegt dar­um im Interesse der Staaten, die benachteiligten ethnischen Grup­pen besser an der Macht zu beteiligen. Andernfalls entsteht ein äu­ßerst explosives ethno-soziales Gewaltpotential, wie etwa die jüng­ste Entwicklung im ehemaligen Jugoslawien und in der ehemaligen Sowjetunion zeigen. Bis sich die Staaten dazu entschließen, ist es vor allem die Aufgabe der Kirche, jener Ort zu sein, an dem die in-

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