Folia Theologica 15. (2004)

Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins

PHILOSOPHIE DES MONCHSEINS 25 Dialektik erst bei näherem Hinsehen erschließt; den Gesprächspart­nern des Sokrates selbst ist nicht bewußt gewesen, daß sie auf dem Weg der Wahrheitssuche zu einem vorbestimmten Endziel geführt wurden. Es fragt sich nun, ob das hier entstehende Problem einer gewissen intellektuellen ,Unredlichkeit' und geistigen Bevormun­dung seinen Weg auch in die Traditionen monastischer Bildung ge­funden hat. Was die christliche Übernahme konkreter Denk-, Bildungs-, und Literaturformen der philosophischen Schulen angeht, so sind im Falle der Gattung des Dialoges - als Rahmen und Ort der Dialektik- eine Reihe von christlichen Nachahmungen bekannt53. Im Falle der Dialektik selbst herrscht unter den christlichen Theologen we­der eine einheitliche Meinung darüber, was sie eigentlich sei, noch, wie sie zu bewerten sei54. Schließlich aber bedienen sich viele Theo­logen ihrer. Vor allem Augustinus, als Rhetoriker geschult, disku­tiert die Dialektik, und später wird sie z.T. ausdrücklich als Metho­de zur Darstellung theologischer Fragen benutzt.55 Freilich zählt Evagrius' Ad Monachos nicht unmittelbar in diesen Zusammenhang, es ist nicht als Dialog oder konkrete Übung bzw. Anwendung anti­ker Dialektik geschrieben. Seine formale Verwandtschaft zur Philo­sophie liegt aber nicht nur im genannten Gebrauch der Sentenzen, sondern eben auch in der Strukturierung eines Lernweges; es kann- wie jeder Text, besonders aber jeder als monastisch-erzieherisches Exerzitium geschriebene Text - zur Grundlage eines indirekten, aber auch direkten dialogischen Geschehens werden. Vor allem kommt es genau darin mit den philosophischen Vorgängern (der Dialektik Platons) überein, daß es sich einer pädagogischen Aufga­53 Genannt seien nur die Frühschriften Augustins, der Dialoge über die Unsterb­lichkeit, die Glückseligkeit, die menschliche Freiheit und die religiöse Er­kenntnis schreibt; in unserem Zusammenhang besonders interessant ist De Magistro, in dem es allerdings weniger um den weltlichen Lehrer geht, als um eine christliche Lerntheorie, in der Verstehen nur durch das Wirken des wah­ren Lehrers Christus möglich ist. 54 Auch Evagrius benutzt den Terminus .Dialektik1, und zwar als bloße äußerli­che intellektuelle Fertigkeit, als apersonales Wissen, das auch den ,Leiden­schaftsverhafteten ‘ und sogar den Dämonen zugänglich ist, im Gegensatz zur wahren, innerlich-mystischen Erkenntnis der christlichen Geheimnisse (vgl. Kephalaia Gnostika VI,2 und Gnostikos 147). 55 Vgl. STUDER, a.a.O., 180-186 und 172f.

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