Folia Theologica 15. (2004)
Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins
PHILOSOPHIE DES MONCHSEINS 21 lehrung (201 d) und bezeichnet Diotima als vollendete „Sophistin"42. Ein Verständnis, das in Sokrates nur den Maieutiker sieht, der - einem ,Geburtshelfer' gleich - jedem Schüler zu seinem je-eigenen Wahrheitsweg hilft und dabei noch selbst auf Bereicherung in seiner Wahrheitserkenntnis hofft, kann vor allem im Blick auf die späteren Dialoge Platons kaum bestehen bleiben. Noch deutlicher wird dies dort, wo die Definition der Diairesis zum Kern der Dialektik wird, wie z.B. in Sophistes 218b ff. Entscheidend ist hier, daß der platonische Sokrates stets Vorgaben macht; schon die Artbegriffe erscheinen zur Klärung der Sache willkürlich und bewußt funktional eingesetzt. Der angeblich herrschaftsfreie Dialog wird also eindeutig dazu benutzt, die Definition auf ein vorher gewußtes und gewolltes Ziel hinzusteuern. „Bei der Diairesis verhindert der Lehrer mit seinen auf das Ziel gerichteten Dichotomien jegliche Abweichung, so daß der Hörer zu einem Schluß geführt wird, der ihm zuwider ist, dem er aber unter den eingeschränkten Bedingungen des Fragenden aus Gründen der Kohärenz nicht ausweichen kann"43. Damit aber ist die Diairesis nicht der Weg, auf dem die Wahrheit gefunden wird. So wie sie sich hier darstellt, funktioniert sie nur so - und sie soll nur so funktionieren -, daß der Gesprächsführer bereits im Besitz der Wahrheit ist. So erschließt die platonische Dialektik nicht die Wahrheit, sondern sie steht im Dienst einer Wahrheit, die nicht am Ende der vermeintlich offenen sokratischen Diskurse steht. Denn in der Diairesis werden die „logoi selbst ebensowenig hervorgebracht wie das Vorwissen in der anamnesis; sie werden vielmehr unter dem Gesichtspunkt des Zupassens auf den gegebenen Fall ausgewählt und zugrunde gelegt"44. Somit aber übernimmt die diairetische Dialektik (entgegen der unablässig wiederholten Behauptung) keine Kontrollaufgabe, weil sie nur die vorgefaßte Eigenmeinung bestätigt.45 Damit dürfen Dialektik und Diairesis nicht als Methoden der Wahrheits/mdMng gesehen werden, sondern sie müssen als Metho42 „Sophist” meint hier in der Urbedeutung des Wortes einen Weisheitslehrer. 43 T.G. BUCHER, „Mystik und Sprache”. In: A. MOLINARO - E. SALMANN (Ed.): Filosoßa e Mistica. Roma, 1997, 161-181, hier 164 44 N. HARTMANN, Das Problem des Apriorismus in der Platonischen Philosophie. in Kleinere Schriften. Bd. 2. Berlin, 1957, 59.