Folia Theologica 15. (2004)
Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins
20 Ch. GOBEL sophischen Themen zu widmen, Lehrinhalte zu behandeln und darin Methode der Wahrheitsfindung zu sein. Die Dialektik erscheint damit als ein offener Weg des „herrschaftsfreien Diskurses" (Habermas) zur Wahrheit, auf dem nicht nur der Schüler, sondern auch der Lehrer noch Bereicherung findet. Als das schlechthin So- kratische und Strukturmerkmal der platonischen Dialoge, die diese scheinbar offene Wahrheitssuche beschreiben, gilt damit die apore- tische Elenktik. Diesen Anspruch gilt es im Folgenden zu überprüfen und in Beziehung zur monastischen „Pädagogik" zu stellen. 3. Wahrheit und Methode: Platonische Dialektik und Evagrische Seelenführung Wenn auch das sokratische ,Wissen des Nichtwissens' zunächst nur als Ausdruck eines typisch griechischen anthropologischen Bewußtseins verstanden werden könnte, wird es doch zumeist - und zu Recht - auch schon als erkenntnistheoretische Aussage gesehen. Sokrates ist insofern allen Gesprächspartnern überlegen, als er Scheinmeinungen (doxa) erkennt und entlarven kann. Das geschieht aus der Position des Weisen heraus, der nicht Selbstvorspiegelungen verfällt, sondern die menschliche erkenntnismäßige Begrenztheit erkannt hat. Allerdings darf schon hier nicht übersehen werden, daß die Ablehnung jeder Meinung anhand eines Maßstabes, d.h. eines Wissens um Wahrheit, geschehen muß - und sei es nur ein intuitives, unthematisches, aber doch sachbezogenes Wahrheitswissen. Entschiedenen Widerspruch muß die einseitige Betonung sokratischer Offenheit und Objektivität finden, wenn man etwa die Diotima-Rede aus dem Symposion betrachtet. Dort, wo der Anspruch erhoben wird, endlich die Wahrheit über die Liebe zu verkünden (209e ff.), hält Sokrates nicht einfach eine letzte Rede, sondern er greift durch die Einführung der Figur der Diotima auf die zweifelnd-widerlegende Dialektik des Dialoges (zwischen Diotima und Sokrates) als die der Wahrheit einzig angemessene Form zurück. Jedoch enthüllt sich dies schon bald insofern als Täuschung, als die äußere Form des Dialoges hinter eine bloß verkündende, dogmatische Belehrung des Sokrates durch Diotima zurücktritt. Dort also, wo es um die letzten Wahrheiten geht, entlarvt sich der Dialog als Scheindialog. Sokrates selbst spricht von seiner Be