Folia Theologica 15. (2004)

Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins

PHILOSOPHIE DES MONCHSEINS 19 wird. Der Begriff der Seelsorge in diesem Sinn ist von einem christ­lichen Verständnis geprägt, aber schon die griechische Philosophie beinhaltet Seelsorge nicht nur als Sorge für die eigene Seele, son­dern bedarf auch des Anderen - des ,Meisters', dem man sich in den Philosophenschulen anvertraut -, der dem Selbst auf der Suche nach seiner Eigentlichkeit behilflich ist. In diesen Zusammenhang fügt sich auch das hadotsche Motto des „Reden-Lernens". Es bezieht sich auf die Form des Dialogs, der seit Sokrates Mittel philosophischer Erziehung ist. Nach Hadot stel­len sich der sokratische Dialog und seine Dialektik als geistige Übung dar, in der es weniger auf den Lehr-Inhalt des Gesprächs ankommt, nicht auf das Ende, sondern auf den Weg; darauf, den je­weiligen Partner des Sokrates - bzw. den Leser - in den Dialog mit sich selbst zu bringen, um sich selbst zu erkennen. Es geht um Le­bensprüfung und ein reflektiertes Leben. Wahre Weisheit wird demnach nur erreicht durch authentische Gegenwart sich selbst und anderen gegenüber.39 40 So kann die kunstvoll von einem philo­sophischen Lehrer geführte Rede wahre „Seelenleitung" (Psycha- gogie)41 sein und zur philosophischen Freiheit führen, die hier zu­allererst eine Selbstdistanz meint, d.h. eine Distanz des Philoso­phierenden zu seinem momentanen Sein im Blick auf das Wesentli­che. Eine solche Beurteilung der sokratischen Dialektik als pädagogi­sches Hilfsmittel zur Selbstfindung, wie sie Hadot vornimmt, mag ihre Berechtigung im Blick auf den historischen Sokrates haben, der uns besonders im Frühwerk Platons noch lebendig vor Augen ge­führt wird. Das gilt vor allem für die Apologie, die insofern weitge­hend der historischen Wirklichkeit entsprechen muß, als sie noch zu Lebzeiten der Richter und Zeugen des Prozesses gegen Sokrates verfaßt worden ist (um 390 v. Chr.). Dort (30e ff.) beschreibt Sokra­tes seine Methode selbst auf ähnliche Weise. Es ist aber unübersehbar, daß das Instrument der Dialektik im Gebrauch Platons bald auch mit dem Anspruch auftritt, sich philo­39 Plat rep 518b ff. Sokrates sieht seine vordringliche - und sogar göttlichem Auftrag gemäße - Aufgabe in dieser pädagogischen Hilfe zur „Umkehr der Seele“ nach der Erkenntnis des wahren Selbst (apol 30e ff.). 40 Vgl. HADOT 1987, 29-37 41 Plat Phaidr 271c

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