Folia Theologica 15. (2004)
Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins
18 Ch. GOBEL die in Zusammenhang mit der äußeren Welt und der Begierdehaf- tigkeit des Leibes stehen und der Seele in wesensfremder Verbindung beigefügt waren.36 In dieser Art, Philosophie zu verstehen, in diesem Stil von Philosophie als Selbstsorge, kommt Evagrius mit den platonisch-hellenistischen Schulen - insbesondere mit der Stoa (z.B. Marc Aurel37) - überein. Die philosophischen Fortschrittswege sind darüber hinaus die Grundlage aller christlichen Aufstiegswege zu Gott, die besonders in Mystik und Mönchtum eine ähnliche Umsetzung im Leben des Einzelnen erfahren. So können also die christlichen Väter nicht nur an die theoretische, sondern auch an die praktische Tradition antiker Philosophie anknüpfen, wenn sie sich bald selbst als Philosophen bezeichnen. Freilich wird diese nun als Vollendung der Philosophie verstanden, da sie Christus zum Maßstab der Lebensführung hat (aske- tisch-monastische Dimension) und ihr in der göttlichen Offenbarung die letzte Weisheit aufscheint (exegetisch-spekulative Dimension). So wird das Christentum auch für Evagrius zur „höchsten Philosophie"38. Das wesentliche Element des christlichen, wie des philosophischen Weges zur Wahrheit ist ein ihr angemessener Lebens-Wandel, d.h. das Einüben in einen bestimmten Lebensstil, an dessen Beginn eine Selbst-Besinnung auf das Wesentliche im Sein und eine Konversion stehen. Schon Sokrates und Platon begreifen diese „Umkehr der Seele" - entsprechend der Erkenntnis des wahren Selbst - als eminent pädagogische Aufgabe39. Damit deutet sich ein Zusammenhang von Selbstsorge und Seelsorge an, der ein grundlegendes Element des hellenistischen Schulbetriebes werden 36 Die stoische und neuplatonische Methode des „Freilegens“ und „Ent- Deckens“ des eigentlichen Wesens wird v.a. Augustinus übernehmen, vgl. De Trin X 8,11 u.a. 37 Zum Vergleich zwischen Evagrius und Marc Aurel vgl. DRISCOLL 1991, 361-384; dazu mein Beitrag „Von geistlicher Vaterschaft und philosophischer Schülerschaft. Zum Vergleich zwischen Evagrius Ponticus und Marc Aurel.“ in Erbe und Auftrag 75 (1999), 263-281. 38 Epistula Fidei 1,14