Folia Theologica 15. (2004)
Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins
PHILOSOPHIE DES MONCHSEINS 15 jekte der Erkenntnis, so können sie nur im wahren Mensch-Sein - mittels des reinen, aller Körperlichkeit entblößten Intellekts - erkannt werden. Dies ist wahre Seelengröße, und diese ist die Frucht der Trennung vom Körper, die erst den Zugang zur Welt der ewigen Ideen ermöglicht. Übertragen auf die Lebensform des Philosophen, ist hier auch der Ort des hadotschen Mottos „Leben-Lernen".28 Zu leben lernen, bedeutet den Wandel von unauthentischem zu authentischem Leben. Deshalb beginnt der philosophische Weg zum eigentlichen Selbst der Geistseele bei ganz konkreten, medizinischen Ratschlägen zür Beherrschung der Körperlichkeit und der Triebe, die vor allem für Leid und Unordnung im Leben verantwortlich gemacht werden. So ist Philosophie zunächst Therapie für die Leidenschaften - in der Einübung in das über-leidenschaftliche, über-sinnliche: den Verstand und die geordnet-besonnene Beherrschung des eigenen Lebens, die er ermöglicht. In der Politeia fordert Platon von den Heranwachsenden, „für den Leib Sorge zu tragen" (498b), und auch der Weg des Philosophen zum vernunftgeleiteten Leben beginnt konkret bei diätetischen Fragen und dem Kampf mit den Lüsten. „Es ist nicht gleichgültig, was man ißt und trinkt und wie man mit Aphrodisia umzugehen pflegt, ob man Gymnastik betreibt und sich Maßnahmen zur Abstinenz angelegen sein läßt, welches Maß in allem angebracht ist, welche Übungen hierfür sinnvoll sind: Die Grenzen zwischen medizinischem und philosophischem Diskurs sind fließend. Die leibliche Seite der Selbstsorge (als cura sui corporis) bleibt die ganze griechische und römische Antike hindurch in der Traditionslinie der antiken Diätetik mit ihrer minutiösen und bisweilen hypochondrischen Sorge um das leibliche Wohlbefinden noch verbindlich"29. 28 Vgl. HADOT 1987, 15-29. 29 W. SCHMID, Selbstsorge, in Hist. Wörterbuch d. Philosophie. Bd. 9. Basel, 1995, 528f. Dieser Aspekt des philosophischen Reinigungsweges hat seine Vorläufer nicht zuletzt in religiösen Kulthandlungen; besonders deutlich wird das bei den Vorsokratikern (z.B. Pythagoras, Empedokles), in deren Denken sich die philosophische Reflexion mit religiös motivierter Askese verbindet. - Der anthropologische Dualismus der griechischen Philosophie und die damit verbundene Abwertung des Leiblichen und Irdischen sowie die Aufwertung eines asketischen Lebensstils haben also mehrere Wurzeln: 1.) die Le-