Folia Theologica 15. (2004)

Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins

14 Ch. GOBEL krates zur Selbstsorge23 24, die schon im Phaidon (67c) - spätestens aber in der Akademie und den späteren hellenistischen Philoso­phenschulen - konkrete Übungen beinhaltet und schließlich zu ei­nem regelrechten philosophischen Lebensstil ausgebaut wird. Selbsterkenntnis wird so auch zur „Lehre von der inneren Läute­rung"25, zum „Werde, was du - eigentlich - bist!". Diese praktische Anwendung der sokratisch-platonischen Selbsterkenntnis ist zu­gleich von philosophisch-erkenntnistheoretischer Notwendigkeit, weil nur die Reinigung der Vernunft-Seele von allem Körper­lich-Individuellen die göttliche Perspektive des Einen und Allge­meinen bzw. die Erkenntnis-Schau der göttlichen Ideen ermöglicht. In diesem Zusammenhang erklärt sich der Sinn des hadotschen Motivs des „Sterben-Lernens"26, z.B. im Blick auf den Phaidon, wo die Bestimmung der Philosophie als Streben nach dem Tod (61d) die Trennung der Seele vom Leib bedeutet, die philosophisch ist, weil sie die reine, nicht sinnlich getrübte Erkenntnis meint (65c/d). Diese ist zugleich insofern Selbsterkenntnis, als hier die Seele wahr­haft bei sich selbst ist. Denn ihrem Wesen und ihrem Ursein nach - so bringt es der Anamnesis-Gedanke (72e ff.) zum Ausdruck - ge­hört die Seele in das Reich der Ideen. Das philosophische Sterben ist in diesem Zusammenhang als geistiger ,Tod' der Individualität und der Leidenschaftlichkeit zu verstehen, der zur Einübung in die Perspektive der Universalität und Objektivität dienen soll. Die Lei­denschaften und die von ihnen angeregten Bilder und Vorstellun­gen verstellen diesen Blick, da sie zu eng mit dem Körper verbun­den sind. In Anlehnung an den Aufstiegsweg zur Wahrheit des Symposion (210a ff.)27 ist hier von einem Weg geistig-geistlichen Fortschritts zu sprechen, den Platon fordert, um vom einzelnen körperlich Schönen schließlich zur universalen Perspektive des wirklich Seienden zu gelangen. Sind Wahrheit und reines Sein Ob­23 Plat ápol 30b 24 Plat Alk I 124b 25 F. RICKEN, Philosophie der Antike. Stuttgart 1993, 197 26 Vgl. HADOT 1987, 37-47 27 Vgl. auch das „Höhlengleichnis“ der Politeia (514a ff.), das nicht nur den Aufstiegs- und Erkenntnisweg zur Wahrheit und zum höchsten, göttlichen Sein schildert, sondern zugleich den Hypothesis-Gedanken der platonischen Schichtontologie illustriert, der sich zuvor schon im Sonnen- und Linien­gleichnis (ab 506b ff.) ankündigt.

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