Folia Theologica 15. (2004)
Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins
PHILOSOPHIE DES MONCHSEINS 11 ren Mitte wiederum stehen drei Sätze zur Beziehung zwischen Leidenschaftslosigkeit und Erkenntnis, kulminierend im „Center of the Center of the Center" Ad Mon 67, wonach Leidenschaftslosigkeit zu Liebe, diese aber zur Erkenntnis führt. Mit Ad Mon 73 beginnt der Text neu. Jeweils 14 Kapitelchen umgeben 5 Sätze zur geistlichen Vaterschaft. Ad Mon 107 ist dann „the turning point of the text: a pure mind in a gentle soul"17. Denn diese ist zugleich Ergebnis des reinigenden Weges der praktiké und Voraussetzung der Erkenntnis. In Aufnahme von Ad Mon 67 läßt sich sagen, Liebe umfaßt für Evagrius alles, was der Glaube zur Antwort auf die Weisung Gottes enthält, sie ist Sproß der praktiké als Weg zur Leidenschaftslosigkeit, weil sie frei geworden ist von aller Selbstverliebtheit; sie ist „Tor der natürlichen Erkenntnis", d.h. der mittelbaren Erkenntnis Gottes im Spiegel alles Geschaffenen, durch das man zur ,Theologie' oder unmittelbar-persönlichen Gotteserkenntnis eintritt18. Nach der kritischen Selbstsorge, mit der der Weg begann, ist der Mönch nun also bei jener Würde angelangt, die ihn eigentlich erst als Menschen ausmacht: dem Intellekt oder der Erkenntnisfähigkeit, die es zunächst zu ent-decken und dann freizulegen galt von ihren leidenschaftlichen Behinderungen. Christlich aber wird der Intellekt als Ebenbild Gottes verstanden, d.h. als seinsmäßig auf die Erkenntnis Gottes angelegt. Der Erkenntnis sind nun die letzten capita gewidmet, wiederum in verschiedene Ebenen unterteilt und christo- logisch verankert. Denn wenn auch noch die Erkenntnisform der physiké, d.h. die Erkenntnis der Natur als von Gott geschaffen und mit Sinn versehen, Leistung des Verstandes sein kann - die höchste Form, die theologiké, die ein mystisch-lebendiges Schauen-Erkennen des Mysteriums der Heiligen Dreifaltigkeit und des innertrinitari- schen Lebens der göttlichen Personen meint, ist nicht mehr für den klugen Gelehrten, sondern nur noch für jenen zu erreichen, der wie Johannes an der Brust Christi ruht (Ad Mon 120). So ist auch der Kulminationspunkt der monastischen Reise, die Seele im Angesicht der Heiligen Dreifaltigkeit (Ad Mon 136), nicht ein gewöhnliches Wissen, wie etwas ist, sondern ein sicheres Wissen, daß etwas ist; ein Zustand, in dem Erkenntnis Mystik wird, ähnlich wie Eva18 G. BUNGE, Geistliche Vaterschaft. Christliche Gnosis bei Evagrios Pontikos. Regensburg, 1988, 57