Folia Theologica 15. (2004)

Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins

12 Ch. GOBEL grius auch den Begriff des Himmelreichs als Zustandsbeschreibung der seligen Beglückung versteht. Und zugleich ist dieses Ziel mona- stischen Lebens natürlich auch eschatologische Verheißung. 2. Der philosophische Hintergrund Auf seinem Weg von einer regionalen, volksbezogenen ,Sekte' zur Weltreligion hatte sich das Christentum in die antike Geistes­welt zu kulturisieren. Als ein Ergebnis dieses Prozesses weist christ­liche Theologie seit den Kirchenvätern eine Reihe von philosophi­schen Einflüssen auf, sie integriert, bewahrt und verändert antikes Erbe18. Bei Evagrius zeigen sich dabei formale und inhaltliche Ein­flüsse und Übereinstimmungen. Wenn allerdings der Kirchenhistoriker Sokrates Evagrius Ponti­cus einen „Philosophen der Tat" nennt, nachdem er vorher nur ein „Philosoph des Wortes (in Worten)" gewesen sei, und dieser Wan­del Evagrius' christlichen Lehrern Macarius dem Großen und Maca­rius von Alexandria zugeschrieben wird19, so sagt das schon einiges über das Selbstverständnis der Väter gegenüber der antiken Philo­sophie aus. In der Spannung von Ablehnung einer vermeintlichen Konkurrentin in Welterklärung und Lebensgestaltung und Aufnah­me der langen und reichen Tradition philosophischen Gedanken­gutes steht gerade der in klassischer Philosophie und Literatur hochgebildete Evagrius für eine Haltung, die die antike Philosophie als Wahrheitssuche akzeptiert, sie aber nun christlich vollendet weiß. Es ist allerdings ein Irrtum, wenn Sokrates' Worte dahin zu deuten scheinen, daß die vorchristliche antike Philosophie nur rei­ne Theorie gewesen sei. Es ist das Verdienst P. Hadots, antike Phi­losophie wieder als Lebensform, als ars vitae, wie Cicero sagt20, ins moderne Bewußtsein gebracht zu haben21. Sie steht nach Hadot un­ter den vier Leitmotiven des „Leben-, Reden-, Sterben- und Le­sen-Lernens". Diese Linie der antiken Philosophie will Lebenshilfe 18 Generell zu Umfeld und Situation der Theologie im 4. Jahrhundert vgl. etwa B. STUDER, Schola Christiana. Die Theologie zwischen Nizäa und Chalce­don. Paderborn, 1998 19 Sokrates, Kirchengeschichte IV, 23: Patrologia Graeca 67, 516A. ’ 20 Z.B. De fin III 2, 4 21 P. HADOT, Exercices spirituels et philosophie antique. Paris, 21987; außer­dem Qu 'est-ce que la philosophie antique? Paris, 1995

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