Folia Theologica 15. (2004)

Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins

10 Ch. GOBEL with the text, by exercising with the contents of the various pro­verbs"14. Ad Monachos bietet dabei gleichsam eine „Straßenkarte" der „journey of spiritual progress which begins with faith, the first vir­tue of praktiké, and concludes with the mind presented before the Holy Trinity"15, wobei es für den Mönch gilt, zu Lektüre und Medi­tation des Textes diese „Reise" auch zu leben: Nach einleitenden Proverbien bietet Ad Mon 3 bereits die Struktur des gesamten Tex­tes - auf den Glauben als erste Tugend folgt die Liebe als Höhe­punkt des tugendhaften Lebens, deren Zweck aber ist die Erkennt­nis Gottes, das höchste Ziel evagrischer Spiritualität. Im Folgenden werden zunächst die einzelnen Tugenden der unteren zwei Seelen­teile behandelt, denn wie schon die asketischen Lehren der antiken Philosophie mit medizinischen Ratschlägen zur Reinigung der Kör­perlichkeit des Menschen ihren Weg begannen, der schließlich über die Beherrschung der Triebe bis zur Erkenntnis der Göttlichkeit des eigenen Verstandes führen sollte, so stehen auch für die christli­chen Mönche im Zentrum des ersten, kritischen Teiles ihrer Selbst­sorge die Verirrungsformen der menschlichen Seele. Evagrius faßt sie in seinen berühmt gewordenen Lasterkatalog (Gefräßigkeit, Hu­rerei, Geldgier, Traurigkeit, Zorn, Lustlosigkeit, Eitelkeit, Überheb­lichkeit) und bietet - in der praktiké als „spirituelle Methode der Rei­nigung des leidenschaftlichen Teils der Seele"16 * - Übungen zur Be­herrschung dieser Fehlformen, die die Mönche in der Zurückgezo­genheit der ägyptischen Wüste allerdings nicht mehr als Handlun­gen, sondern nur noch als Gedanken bedrohten. Im numerischen und inhaltlichen Zentrum des Textes folgen 10 Kapitel, die die Be­ziehung zwischen praktiké und Erkenntnis zum Inhalt haben. In de­14 Ebd., 3 15 J. DRISCOLL, Spiritual Progress in the Works of Evagrius Ponticus, in SHE- RIDAN/DRISCOLL 1994, 47-84, hier 83. 16 Praktikos 78 - Wenn Evagrius selbst gerade die praktiké als paideia versteht (vgl. P. GEHIN (ed.), Evagre le Pontique, Scholies aux proverbes. SCh 340. Paris, 1987, Nr. 3), so bezieht sich das konkret auf den biblischen Begriff aus dem Buch der Sprichwörter (2,1) und nicht auf einen Bildungsbegriff in unse­rem Sinn des Wortes. Im Vergleich mit der Philosophie entspräche die ,pai­deia' der praktiké als Stufen- bzw. Reinigungsweg des geistlichen Fort­schritts eher dem platonischen Erkenntnisweg in Phaidon, Höhlengleichnis und Symposion (s.u.).

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