Folia Theologica 14. (2003)

Pál Bolberitz: Providenz als Mitleid Gottes

16 P. BOLBERITZ fahr, dass der Mensch - zwar unausgesprochen - als Mass der Voll­kommenheit betrachtet wird, und somit muss er einen „unvollkom­menen Gott" annehmen, was aber der Wesenheit des absoluten Seins und der absoluten Vollkommentheit Gottes völlig in Wider­spruch steht. Wenn wir Gott als eine absolute und vollkommene Wirklichkeit bekennen, müsste er zweifellos alle Seinsvollkommen­heiten in voller Fülle besitzen. Das Leiden ist aber irgendein Böses (gerade deswegen ist es Leiden), das den Mangel der erforderlichen (oder einem Ding gebührenden) Seinsvollkommenheit ausdrückt. Das Leiden ist daher der Gottes Vollkommenheit zuwider. Das heisst, der wahre Gott befindet sich im Zustand der Leidenslosig- keit (impassibilitas) und der Leidenschaftslosigkeit (apatheia). Die hier zu lösende Frage ist, ob das Leiden tatsächlich etwas „böses" ist und ob es wirklich einen Seinsmangel bezw. eine Seinsunvollkom­menheit (imperfectio) ausdrückt. Ferner stellt sich die Frage, ob die Leidenslosigkeit (impassibilitas) einen moralischen Wert bedeutet, welcher der FLeiligkeit Gottes zukommt. Unsere Antwort lautet: Das Böse in sich (in se) ist in der Tat ein Mangel irgendwelcher Seinsvollkmmenheit (privatio perfecionis), und in sich kann es so­mit in Gott nicht vorhanden sein. Das Leiden ist aber nicht unbe­dingt ein „malum". Wenn auch es nämlich ontologisch einen Seins­mangel bedeutet, kann es von theologischem Gesichtspunkt aus be­trachtet - durch das theologische Motiv - in Hinsicht der menschli­chen Natur - auch gut sein: Die bewusste Annahme der Geschaf- fenheit, das Bewusstwerden der Zufälligkeit des Seins (in negativer Annäherung), gleichzeitig auch die Hingabe und die Verzicht auf die vergänglichen Dinge können im Dienste eines höheren Wertes auch ein Zeichen sein (unter denen Gott der Höchste ist)22, so könnten die Selbstaufopferung und das Opfer auch zur Verherrli­chung Gottes dienen (in positiver Annäherung), was übrigens die höchste menschliche Tat ist (vgl. Kenosis). Bei Gott geht es aber nicht um das Leid, sondern um das „Mit-Leid". Das Mitleid ist Empathie, die aber kein Mangel (privatio) ist, sondern ein hervorragender Akt der Liebe, und als solcher eine Seinsvollkommenheit (perfectio). Hier stellt sich wiederum das Pro­blem, dass die Empathie mit der Not anderer Menschen mit dem Gefühl des Beileides gemeinsam erscheint. Das Beileid bedeutet teil 22 Vgl. Fil. 2,5-11

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