Folia Theologica 12. (2001)
Zoltán Rokay: Die Selbstverwirklichung des Menschen in der Philosophie von J. G. Fichte
42 Z. ROKAY In seinem Brief an Rheinhold, vom 04.07.1797 behauptet Fichte, die WL von 1794/95 sei eine sehr unreife Darstellung, und fügt hinzu: „wie weit klärer sehe ich jetzt in dieser Wissenschaft."19 In der Kollegnachschrift: „Wissenschaftslehre nova methodo" (GA IV,2) lesen wir, daß nun die WL nach einem, dem WL 1794/95 entgegengesetzten Gange vorgetragen wird: „...nach einem entgegengesetzten Gange seines Compendiums von 1794, wo er vom theoretischen, i.e. von dem was erklärt werden soll - zum praktischen Teil der Philosophie, i.e. woraus jenes erklärt werden soll übergeht. In seinen Vorlesungen findet aber die bisher gewöhnliche Abteilung der Philosophie in theoretische und praktische nicht statt. Sondern er trägt Philosophie überhaupt vor - theoretische und praktische vereinigt, fängt nach einem weit natürlichem Gange vom praktischen an, oder, zieht da wo es zur Deutlichkeit was beiträgt, das Praktische ins Theoretische herüber, um aus jenem dieses zu erklären."20 Nach der Meinung von H. Schmitz besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen WNM zur GR darin, daß Fichte „statt der Ursprünglichkeit des Sichsetzens und der gleichursprünglichen Setzung des Nicht-Ich... nun eine ursprüngliche Beschränkung des Ich." einführt.21 Nach meiner Meinung besteht das wesentliche Novum der WNM in der starken Betonung des Willenprinzips, und der Ableitung alles übrigen daraus. Ich führe eine, sonst auch durch Schmitz bevorzugte Stelle zur Unterstützung meines Standpunktes an: „Ich schreibe, ich habe also eine Vorstellung von meinem Schreiben, es schreiben aber auch andere neben mir. Woher weiß ich, daß mein Schreiben nicht das Schreiben eines anderen ist? Sollte wohl hiervon der Grund in der objektiven Beschaffenheit des Schreibens liegen, oder in meinem Denken? Offenbar in meinem Denken. Ich weiß von meinem Schreiben nur dadurch, daß ich weiß, daß ich schreiben will. Das Objektive wird durch das Subjektive bestimmt."22 19 Brief Nr. 359. GA III,3. S.69. 20 GA IV,2. S.17,5-10. 21 SCHMITZ, H., Die entfremdete Subjektivität, 1992, S.l 18. 22 GA IV,2. S.232,18-23.