Folia Theologica 11. (2000)

Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth

IST THEOLOGIE ÜBERHAUPT EINE WISSENSCHAFT? 75 Geschöpf „analogisieren”. Die Einheit von Schöpfer und Geschöpf er­möglicht die analoge Einheit des Seins des Seienden, die wiederum ihre einheitliche raumzeitliche Differenzierung ermöglicht usw. Trinitarisch wird die Möglichkeit der Schöpfung erklärt: die Differenz Gottes zur Schöpfung, die den geschöpflichen Selbstand impliziert, wird in der innertri- nitarischen Differenz von Vater, Sohn und Geist grundgelegt10". Eine göttliche Identität könnte nicht schöpferisch tätig werden. Ebenso wird trinitarisch die Ein­heit Gottes mit der Schöpfung präzisiert: sie besagt keine Verspannung Gottes mit der Schöpfung, weil Gott sich nicht erst im Gang durch die Schöpfung einho­len und realisieren muß, sondern sich innertrinitarisch immer schon realisiert hat. Der Vater einigt sich primär auf den Sohn und den Geist usw. und nicht auf die Schöpfung1"1. Trinitarisch sind weitere analoge Einheitsstrukturen erklärbar, etwa der Sinn der Geschichte. Auf die Frage, warum Gott die Schöpfung nicht bereits vollkom­men erschaffen hat und warum sie sich erst evolutiv entwickeln muß, antwortet eine trinitarische Begründung: weil sie das ewige Zugleich der innertrinitarischen Einigungseinheit - also der Zeugung des Sohnes und Hauchung des Geistes - raumzeitlich, evolutiv und sukzessiv, also analog realisiert. Sie erlaubt damit die Partizipation an der trinitarischen Einigungseinheit im Modus geschichtlicher Evolution. Analog können beliebige weitere Einheiten in ihrem trinitarischen Kern erschlossen werden. Die analoge Realisierung der trinitarischen Einigungseinheit ist der ursprüng­liche Zielgrund aller Existenz. Besonders der Mensch besitzt die Gabe und Auf­gabe, die trinitarische Perichorese und Inkohabitation analog durch Selbstver­leugnung und Ganzhingabe in Glaube, Liebe und Hoffnung zu realisieren. Bezogen auf die Wissenschaft gilt: die systematische Einigung von Erkennendem und Erkanntem zwecks Wahrheits- und Erkenntnisgewinn - und darin Wirklichkeits- und Existenzgewinn - muß im trinitarischen 100 101 grund der Analogie selbst bildet: wird die Analogie als Prinzip auf sich selbst angewandt, so ergibt sich die Analogielosigkeit der Letztbegründung, zu der die Analogie erst entstehen kann. Wäre die Letztbegründung selbst nur analogielos, so könnte sie sich jedoch gar nicht analogisieren, weshalb ihre Analogiehaftigkeit mitangenommen werden muß. 100 So schon in SIEWERTH, G.: Gott (1971), S. 137. 101 Gott einigt sich sekundär analog auf die Schöpfung: der göttliche Wille zu sich selbst und zur Schöpfung bildet eine unvermischte und ungetrennte Ein­heit. In der Bestimmung der Einheit des göttlichen Willens kehrt die Bestim­mung der Einheit von Schöpfer und Geschöpf wieder: sie bedeutet weder rei­ne Identität noch reine Differenz. Weil die selbstgegebene trinitarische Ein­heit sich selbst will, kann sie ihre analog geschöpfliche Nachbildung wollen und nicht umgekehrt.

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