Folia Theologica 11. (2000)
Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth
IST THEOLOGIE ÜBERHAUPT EINE WISSENSCHAFT? 67 zwei Seienden reicht, kann nicht anhand formaler Überlegungen entschieden werden80. Die Differenz ist nicht logisch, sondern ontologisch und analog. Ebenso ist die Einheit nicht mit logischer Widerspruchslosigkeit zu verwechseln. Sie verlangt ontologische Konsistenz81. Es soll korrekt formuliert werden: die Basiskategorie, die die Grundstruktur der Wirklichkeit angibt, ist die analoge Einheit der Identität und Differenz des Seins. Angewandt auf den Begriff der Wissenschaft: sie ist die analoge Realisation der Einheit der Wirklichkeit in der Einheit zwischen Erkennendem und Erkanntem durch Bereitstellung einer einheitlichen logischen Systematik sowie entsprechender Verifikationskriterien ihrer Einheit mit der Wirklichkeit. Die analoge Realisation der Einheit geschieht durch permanente dynamische Einigung des Erkennendem auf das Erkannte hin82. Wissenschaft ist die realisierte Einigungseinheit von ontologischer und logischer Einheit. Sie dient der systematischen und logischen Offenbarung von Einheiten der Wirklichkeit. Die Folge der Einheit der Wirklichkeit ist die Wahrheit: Wissenschaft strebt nach Wahrheitserkenntnis, weil sie die Wirklichkeit aufdeckt. Die ontologische Voraussetzung einer solchen Definition von Wissenschaft wurde genannt: die Wirklichkeit ist analog hierarchisch gegliedert. Beispiel Mensch: er ist Leib, Psyche, Verstand, Geist, Herz/Selbst. Er ist jedes Vermögen ganz, jedoch nicht ganzheitlich. So verwirklichen sein Leib, seine Psyche etc. sein Sein analog. Die Analogie des Seins betrifft den ganzen Kern jedes partiellen Vermögens. Sie ist keine von außen hinzukommende Relation, keine präveniente und nur ermöglichende Grundlage, die die spätere aposteriorische Explikation nicht berührt; sie ist keine zum Sein und zur Existenz hinzutretende Beziehung, von der abstrahiert werden könnte83. Sie konstituiert die Existenz von Grund auf und richtet es auf sein ureigenes, d.h. internes Ziel aus84. 80 Ders.: Willensfreiheit (1954), S. 47-49. 81 Ausdruck der ontologischen Konsistenz ist das Kausalprinzip, das somit zur Grundlage des Nichtwiderspruchsprinzips wird (s.o.). 82 Ders.: Sein als Gleichnis (1958), S. 38. 83 Ebd., S. 29-30. 84 Ders.: Gott (1971), S. 118: „Soll sich daher das ursprünglich durch den Unterschied ausgezeichnete und bestimmte Sein im bestehenden Seienden... ermöglichen, so kann es dieses Bestehen weder schlichthin aufheben noch gleichgültig liegen- und stehenlassen. Daher müssen wir folgern, daß der Grund das Für-sich-Bestehende und Unterschiedene einerseits als ein Absolutes setzt und bewahrt, wie er es in den Bezug bringt, oder es aufbricht in einen transzendierenden Überstieg”.