Folia Theologica 11. (2000)
Péter Erdő: War die Kodifikation des Katholischen Ostkirchenrechts eine latinisierung?
FOLIA THEOLOGICA 11 (2000) 45 Péter ERDŐ WAR DIE KODIFIKATION DES KATHOLISCHEN OSTKIRCHENRECHTS EINE LATINISIERUNG?1 2 I. Das Problem Schon während der Zeit der ersten Kodifikation des katholischen ori- entalischen Kirchenrechts - besonders nach MP Cleri sanctitati - wurden Stimmen laut, die diesen Kodifikationsprozeß wegen Latinisierung kritisiert haben.3 Ähnliche Kritiken wurden auch während und nach der „zweiten” Kodifikation geäußert. An dieser Stelle versuchen wir zu untersuchen, ob und inwieweit diese Kritiken begründet sind. Nach einem kurzen Blick auf die Geschichte der östlichen Kodifikation beschäftigen wir uns mit den Fragen: 1) Widerspricht der Kodex als Gattung der orientalischen Tradition? 2) Ist die Struktur des CCEO ein Ausdruck der Latinisierung? 3) Ist die lateinische Sprache als Latinisierung anzusehen? 4) Einige Rechtsinstitute im Hinblick auf die angebliche Latinisierung. II. Ein Blick auf die Geschichte Das Recht der katholischen Orientalischen Kirchen setzt sich aus mehreren Teilen zusammen: aus dem besonderen Recht der jeweiligen Rituskirche eigenen Rechtes, und abgesehen davon natürlich auch aus dem Partikularrecht der einzelnen Diözesen bzw. sonstiger Einteilungen, sowie aus dem für alle Ostkirchen gültigen Recht. Es gibt darüber hinaus auch Normen, die für die ganze katholische Kirche gelten, wie z. B. die Apostolischen Konstitutionen Divinus Perfectionis Magister, Pastor Bonus, Sapientia Christiana, Ex Corde Ecclesiae usw. Nach einer richtigen 1 Dieser Text geht auf einen Vortrag im Rahmen der Tagung „Patriarchale und synodale Strukturen in den katholischen Ostkirchen” (Wien 20-22. März 2000) zurück. 2 Vgl. I. ZUZEK, The Ancient Oriental Sources of Canon Law and the Modern Legislation for Oriental Catholics, in Kanon. Jahrbuch der Gesellschaft für das Recht der Ostkirchen 1 (1973) 148-149. 3 Vgl. z. B. W. POSPISHIL, Ex occidente lex, Carteret, NJ 1979.