Folia Theologica 11. (2000)
Peter Henrici: Die Enzyklika zum dritten Jahrtausend. Fides et ratio
DIE ENZYKLIKA ZUM DRITTEN JAHRTAUSEND 15 na complectuntur. Quae enim [...] de his rebus [...] a Thoma disputantur, maximum atque invictum robur habent ad evertenda ea iuris novi principia, quae pacato rerum ordini et publicae saluti periculosa esse dignoscuntur”.4 Die katholische Soziallehre ist in der Tat eine der jüngsten und wertvollsten Früchte der Auseinandersetzung des katholischen Denkens mit den Zeitströmungen und den Zeitproblemen - gleichsam eine Neufassung dessen, was sich einst auf dem Areopag abgespielt hatte. Aber auch diese Auseinandersetzung hat sich seit Leo XIII. grundlegend gewandelt. Leo schritt noch gleichsam deduktiv von der erneuerten Philosophie zur Soziallehre fort. Im Gegensatz dazu sind die Sozial- und Moralenzykliken Johannes Pauls II. (dessen Moralenzykliken immer auch eine soziale Abzweckung haben, was leider oft übersehen wird) als erste erschienen, während Fides et Ratio erst im nachhinein ihre Rechtfertigung und Letztbegründung nachliefert - genau so, wie es die heutige wissenschaftliche Methodologie will. V. Damit kommen wir zum fünften und letzten Akt unseres Dramas, der „Auflösung des Knotens”, zum Akt, der gegenwärtig noch gespielt wird und in den sich Johannes Paul II. mit Fides et Ratio als einer der Hauptakteure einmischt. Bisher habe ich die Analyse der vergangenen zwei Jahrtausende, die der Papst gibt, frei nachgezeichnet. Beim Zuhören werden Sie sich gefragt haben, ob diese Analyse nicht aus einer sehr verengten Perspektive erfolgt ist. Bleibt denn das Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft, zwischen Kirche und Philosophie nicht rein akademisch? Hat es nicht wenig mit dem realen Leben, wenig mit den drängenden Problemen der Welt, ja nicht einmal etwas mit unseren wirklichen kirchlichen Problemen zu tun? Wird hier nicht Hirnsubstanz strapaziert, um der Wirklichkeit aus dem Weg zu gehen? Selbst angenommen, die aufgezeigten Probleme seien echte Probleme, und der Papst könne eine echte Lösung für sie vorlegen: wären wir damit auch nur einen Schritt weiter vorangekommen auf unserem Weg ins dritte Jahrtausend? Würde sich uns damit auch nur eine einzige Zukunftsperspektive eröffnen? Die Fragen sind schwerwiegend und und müssen ernst genommen werden. Die Antwort auf sie ist einfach, und eben deshalb vielleicht 4 ASS 11 (1878/79)